Erstes Reisetagebuch

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München

von irgend welchen Stellen

Kunstwerke aus den öffent-

lichen Sammlungen ent-

nommen u. als Geschenke

verwendet würden.1 Für sich

selbst habe er das von jeher

abgelehnt!

Ich soll mir nach u. nach

sämtl.2österr.3Provinzgalerien

ansehen:4 Graz5,Klagenfurt.6

Nochmals u. immer wieder

sein großes Interesse an

Linz7betont, für das er

nicht nur sämtliche von mir

ausgesuchte Bilder bestimmt,8

sondern auch noch andere

in seinen eigenen Räumen

befindliche Stücke in Aussicht

stellt.

Reihenfolgein der Behdlg9

des beschlagnahmten Wiener

Besitzes:Erst Bilder erledigen,

dannMöbel,Kunstgewerbeusw.10

Über alles behält sich derFührer

auf meinen Vorschlag hin

letzte Entscheidung vor. Ebenso

 

2

  • 1Das Verbot einer "Herausnahme von Gegenständen aus Sammlungen, Museen und ähnlichen Einrichtungen zu Geschenkzwecken" erging erst am 10. August 1939 (s.BArch, R 43II/1236a, fol. 42, Lammers an die Herren Reichsminister, die Herren Reichsstatthalter, die Landesregierungen, 10.08.1939).
  • 2sämtliche
  • 3österreichische
  • 4Possewurde vonHitlerbeauftragt, alle österreichischen Landesmuseen zu inspizieren und anschließend darüber Bericht zu erstatten (s.BArch, B 323/229, Hans Posse, Bericht über die Landesmuseen der Ostmark, Oktober 1939).
  • 5Gemeint ist hier die Kunstsammlung, insbesondere die Gemäldegalerie, desSteiermärkischen Landesmuseums Joanneum, Graz.
  • 6Die besondere Hervorhebung vonGrazundKlagenfurtdürfte damit zusammenhängen, dassKarl Haberstock,PossesVorgänger als Sonderbeauftragter für die Verteilung der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen in Österreich, bereits Zuteilungspläne für die Museen inSalzburgundInnsbruck sowie für die Staatsmuseen inWien erstellt hatte (s.Schwarz (2018), S. 43-51).
  • 7Gemeint ist hier die Gemäldesammlung für das geplanteFührermuseum.
  • 8Hitlerbezog sich hier auf die Gemälde, diePossebereits am 5. Juli 1939 ausgesucht hatte (s.Eintrag vom 05.07.1939).
  • 9Behandlung
  • 10Hitlergab die Prioritäten für die Bearbeitung der beschlagnahmten jüdischen Kunstwerke vor. Die von ihm aufgestellte Rangfolge entsprach seinem spezifischen Interesse an Malerei. Deswegen hatte für ihn der Aufbau einer Gemäldegalerie für dasFührermuseum Priorität.
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11. Aug. 39Graz

Landesmuseum Johanneum

Kulturhist u. Kunstgewerbe-Museum

Ausbau Eisensammlg1

Steirische MöbelDirektor

Dr.Wolfbauer2

Frau Dr. Egger

Gemäldegalerie

früherGarzaroli

jetztDr. HansRiehl.

Pläne zu einem Erweitergs

bau3.4Eisensammlg5heraus

Schloss Eggenberg6

Große Publikation

Das steiermärkische

Landesmuseum Joanneum

u. seine Sammlungen.

Redigiert vonDr. Anton Mell

Graz1911.Ulrich Mell Mosers

Buchhandlung7 (Dr Dr Wilfrid

desJohanneum

Deppner)8

Otto Weinlich9

 

Gemäldegalerie

Jahrelang (Garzaroli) mit

1000 Schilling Erwerbgsmittel10

gearbeitet.

Besitz: GauLandSteiermark -

Gauleiter Dr. Überreither

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Graz

Ein großer Teil seit

1780 vollständig imDepot

Für Ausbau vonGraz Neu-

bau beantragt, um auch

19. u. 20. Jhdt aufstellen

zu können.1

Altes Museum als Zentrum

(bis 1800). Im Zusammenhg2

19. u. 20. Jhdt. Alsdrittes

dasgerman.3 Erbe in der

SteiermärkischenKunst.

(Lage schlecht.

Depot bei den Dominikanern4

(die wertvollen Bestände

vonAdmont u.St. Lambrecht5Lamprecht)

(Graz fühlt sich an 3. Stelle)6

1310Abfahrt vonGraznach

Klagenfurt.

Im Hotel Moser7Voran-

meldung aus Agathenhof8:

Brief vonReichsbaurat

Giesler, daß ich baldmög-

lichst nachMünchenkommen

soll.9Telef.10 (1930) mitG. -

u. mit ihm verabredet, daß

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Innsbruck

NebenGrazdie Gemälde

sammlung desFerdinandeums

die bedeutendste u.auf ihren Gebietenausbau

fähigste

Diemodernebeschränkt sich haupt-

sächlich auf Tiroler Meister

vor allemDefregger1 (aber

fast alles Kopien, nur 2 Ori-

ginale;ihmder schönste Saal

gewidmet.2DanebenEgger-

Lienz.Egger-Lienz= Bilder

aus Wiener Judenbesitz.3

3 Säle moderner Tiroler Kunst

vorhanden, aber aus Raum-

mangel deponiert.

 

Salzburg. Österr. Hof.4

BeiRegierungspräsidentDr Koch

(mitGraf Trapp), daGau-

leiternicht anwesend. -

In der Pfarrkirche (Asam).5

MitGraf Trappim Hotel.

Abends mit Prof. Steinacker6

  • 1Franz von Defreggerwar ein Genre- und Historienmaler der Münchner Schule.Hitlerbesaß einige WerkeDefreggers in seiner Sammlung (s.Schwarz (2011), S. 105, 173-175, 186-189, 259-260).
  • 2In seinem Bericht anHitlerschriebPosse: "Auch die zurzeit wegen Raummangels zum größten Teil deponierte Abteilung neuerer, besonders Tiroler Malerwerke müßte in Zukunft ausgebaut werden, da ein Tiroler Hauptmeister wieDefreggeraußer durch 2 Originale nur durch eine Reihe von Kopien vertreten ist" (s.BArch, B 323/229, Hans Posse, Bericht über die Landesmuseen der Ostmark, II. Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck, abgedruckt in:Schwarz (2018), S. 204-210, hier S. 208).
  • 3Unter dem beschlagnahmten und sichergestellten jüdischen Kunstbesitz befanden sich einige Werke des Tiroler MalersAlbin Egger-Lienz, diePossedemFerdinandeumin Innsbruck zuteilen wollte (s.BArch, B 323/229, Hans Posse: Bericht über die Landesmuseen der Ostmark, II. Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck, abgedruckt in:Schwarz (2018), S. 204-210, hier S. 208). Allerdings wurde das Vorhaben nicht realisiert, da Osttirol an das Reichsgau Kärnten angegliedert wurde und in der Folge der Großteil der Werke vonEgger-LienzdemHeimatmuseumin Lienz, der Geburtsstadt desMalers, überwiesen wurde (s.Schwarz (2018), S. 114).
  • 4Dieser Eintrag bezieht sich auf die Reise nachSalzburg, diePosse einen Tag später, am 12. Oktober 1939, antrat. Das Hotel Österreichischer Hof ist heute das Hotel Sacher in der Schwarzstraße 5-7.
  • 5Vermutlich ist der Innsbrucker Dom zu St. Jakob gemeint, der mit Deckenfresken vonCosmas Damian Asamund Stuckarbeiten von dessen BruderEgid Quirin Asam ausgestaltet wurde.
  • 6Vermutlich istHarold Steinackergemeint, Historiker und Professor an derUniversität InnsbruckSteinackerhatte inWienGeschichte und Historische Hilfswissenschaft studiert, sich 1905 dort habilitiert und war einer der führenden Vertreter einer 'volksdeutschen' Geschichtsauffassung.
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Brühlsches Palais1: ausser

Fassade nicht Originales.

Völlige Modernisierung vor

ca 6 Jahren.2

 

Bilder vonMaulbertsch

imMusseum Ossolineum Oskolineum

zuLemberg, ebenda

Krodel (W. K.)3

 

2. Dez. 39

Privatsammlungen

Krasinski4 zur Hälfte, Zamoijski5

ein knappes Fünftel, Przezdizienski6

ein Zehntel der Sammlung er-

halten, das übrige verbrannt.

 

Oberstabsarzt Prof Richter

Kommandatur IV c

Warschau

Universität Greifswald

  • 1Das Brühlsche Palais war ein Barockschloss inWarschau. 1944 wurde es von der Wehrmacht gesprengt.
  • 2Das Gebäude diente vor dem Ersten Weltkrieg als Telegraphenamt, danach wurde es vom polnischen Außenministerium genutzt und fungierte unter deutscher Besatzung als Distriktsamt (Dienstsitz des Gouverneurs) (s.Baedeker/Steinheil (1943), S. 90).
  • 3Mit "W. K." dürfteWolfgang Krodel der Älteregemeint sein, der aus kunsthistorischer Sicht zur Schule Lucas Cranachs gehört. Die Information könnte fürPosseals Cranachforscher interessant gewesen sein. Möglicherweise war er aber auch wegen des Sammlungsaufbaus für dasFührermuseum anWolfgang Krodelinteressiert, in dem er eine Abteilung für Künstler der Donauschule einrichten wollte. InWarschautrafPossemitLeopold Ruprechtund Eduard Holzmairzusammen (s.DKA, NL Posse Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch, Eintrag vom 01.12.1939), welche im Stab des 'Beauftragten für die Sicherstellung des polnischen Kunstbesitzes' Kaj Mühlmanntätig waren. Von ihnen könnte er diese Informationen erhalten haben.

    DasMuseum Ossolineum interessiertePossevor allem wegen seiner hochrangigen Dürer-Sammlung (s. auchEintrag vom Dezember 1939). Zudem war Lembergzu diesem Zeitpunkt sowjetisch besetzt, die Dürer-Sammlung also außerhalb seines Verfügungsbereichs und daher auch nicht Teil seines aktuellen Auftrags. Gleichwohl erwähntePosse die Sammlung in seinem Polen-Bericht: "Vielleicht wird es später möglich sein, die siebenundzwanzig Blätter vonDürerfür Deutschland zu retten." (s. BArch, B 323/163, Nr. 211-214, Hans Posse, Bericht über die auftragsweise übernommene Reise nach Krakau und Warschau zur Unterrichtung über die Art und den Umfang der beschlagnahmten Kunstwerte). Tatsächlich wurden die Dürer-Zeichnungen im Juli 1941, nach dem Überfall auf die Sowjetunion, vonKaj Mühlmann 'sichergestellt'.Possehatte sie für die Graphische Sammlung desFührermuseums vorgesehen (s.Schwarz (2014), S. 127-128;Juzwenko/Mirecki (2004)).

  • 4Der Krasiński-Palast, ein Barockschloss inWarschau, wurde für die Magnatenfamilie Krasiński erbaut. Im Schloss befand sich die Kunstsammlung der Familie, u. a. mit Werken vonAlbrecht Dürer,RembrandtundPeter Paul Rubens. 1927 wurden die Bibliothek und die Kunstsammlung der Familie in ein eigens errichtetes Museumsgebäude transferiert. Teile der Bestände wurden bei Bombenangriffen durch deutsche Truppen im September 1939 zerstört (s.Ajewski (2004), Englische Zusammenfassung).
  • 5Gemeint ist die Sammlung der Magnatenfamilie Zamoyski, die sich im Blauen Palast inWarschaubefand. Sie umfasste neben einer umfangreichen Bibliothek des Majorats der Zamoyskis auch eine Kunstsammlung. Während der deutschen Luftangriffe im September 1939 wurden große Teile der Sammlung zerstört (s.Makowski (2013)).
  • 6Gemeint ist die Sammlung der Familie Przeździecki, die eine umfangreiche Bibliothek sowie eine Kunstsammlung umfasste. Während der deutschen Luftangriffe wurde der Palast der Familie von einer Bombe getroffen. Infolgedessen brannte der Palast aus und ein Großteil der Sammlung wurde zerstört (s.Ajewski (2004), Englische Zusammenfassung).
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Krakau1

Nationalmuseum

Direktor Dr Lorenz

Dr. Morawinski2

Wilanów3

Franz.4Möbel5

Unter den Bildern, die noch da,

sehr viele Kopien.6

Belvedere (Pilsudzki-Museum)7

 

Warschau802

Zabkowice8 1455

 

3. Dez. 815Abfahrt von

WarschaunachKrakau.

AnkunftKrakau1730

  • 1Der folgende Abschnitt bezieht sich noch auf den Aufenthalt inWarschau.
  • 2Possetraf den Direktor desNationalmuseums Stanisław Lorentzund den KuratorenJan Morawiński. Es bleibt unklar, ob man sich imNationalmuseuminWarschautraf oder in Wilanów bzw. gemeinsam in dasWilanów Palast Museum fuhr.Posseerfuhr vonLorentz, dass die erstrangigen staatlichen Museumsbestände schon im Sommer ausgelagert worden waren. AnHitlerberichtete er später: "Im übrigen wurde mir bei meinem Aufenthalt inWarschaudurch einen polnischen mir länger bekannten Kollegen mitgeteilt, daß die Bergungsarbeiten der Kunstschätze schon im Juni 1939 begonnen worden sind, so daß Ende Juli bereits der gesamte staatliche Museumsbesitz in Kisten sorgsam verpackt zum Abtransport bereit stand. Trotzdem ist es den Polen nicht gelungen, außer der berühmten Gobelinsammlung desWawel, den ebendort bewahrten Reitzeugen, Waffen und historisch wertvollen Stücken wie die Blutfahne des Propheten, die soviel ich hörte in die Hände der Russen gefallen sind, wichtigere Bestände zu verschleppen und für sich in Sicherheit zu bringen." (s.BArch, B 323/163, Nr. 211-214, Hans Posse, Bericht über die auftragsweise übernommene Reise nach Krakau und Warschau zur Unterrichtung über die Art und den Umfang der beschlagnahmten Kunstwerte).
  • 3Der Wilanów-Palast wurde 1677 bis 1679 als Königspalast im gleichnamigenWarschauerStadtteil erbaut. Im Palast befindet sich dasWilanów Palast Museum, das bis 1995 eine Zweigstelle desNationalmuseums Warschauwar.
  • 4Französische
  • 5Möglicherweise bezog Possesich auf einen Bestand hochrangiger französischer Barockmöbel.
  • 6Unter den noch vor Ort befindlichen Gemälden befanden sich viele Kopien, sodass diese nicht für eine Auswahl für dasFührermuseumin Frage kamen. In seinem Bericht anHitlerhobPossehervor, "daß man in den polnischen Schlössern und Privatsammlungen (z.B. Czartoryski, Wilanów usw.) neben Originalgemälden so viele Kopien antrifft." (s.BArch, B 323/163, Nr. 211-214, Hans Posse, Bericht über die auftragsweise übernommene Reise nach Krakau und Warschau zur Unterrichtung über die Art und den Umfang der beschlagnahmten Kunstwerte).
  • 7Das Belvedere inWarschaudiente als Wohnsitz polnischer Staatsoberhäupter, unter ihnen Józef Piłsudski, der dort von 1918 bis 1922 und von 1926 bis zu seinem Tod 1935 lebte.
  • 8Es handelt sich um den Bahnhof der Stadt Dąbrowa Górnicza.
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Krakau

1 Buchstabe (durchgestrichen)Jedenfalls wird alles für

Deutschland Bedeutsame dann

erfasst sein. und erst wenn

eine Entscheidung über das

Schicksal bedeutenderer

Werke aus Kirchl. u. Privat.1

getroffen sein wird, wird

man auf Grund dieser Er-

fassung auch diese greifen

können.Staatl. Lichtbildstelle

Berlin. Photoalbum

Generalgouv.2demFührervorlegen3

Charakteristik des polnischen

Kunstbesitzes.

Silber, Kirchenschätze (Marienkirche4

u. Wawel5) Cloisonné-Arbeiten

1 Wort Pergamentschriften

derJagell. Bibliothek.

GraphikDürerinWarschau6 u.

Lemberg(Düreru.Rbdt7)

Die Durchführung meines

Auftrages war mir z. Zt. noch

nicht möglich, da infolge der

nicht voraus zu sehenden Ver-

hältnisse Im Augenblick seine

Durchführung unmöglich war.

Gründe!  - - - - -8