15.11.1941: Den Haag (0019) (DKA, NL Posse, Hans, I,B-6)
Geburtstag Schmidt
†
19. Nov.2
Plein 1 zr. 49 50
Ausradierungen
Bildnis Thoma de Keyser
(aus Hemstede)
Anlass zur …
- 1Posse fuhr am Freitag, den 14. November 1941, "früh" - nicht wie gewöhnlich mit dem Nachtzug - nach Den Haag, wo er bis 21. November 1941 blieb (s. DKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch).
- 2Posse notierte sich hier den Geburtstag von Generalkommissar Fritz Schmidt am 19. November. Das Kreuz zeigt Schmidts Tod an; sein Todesdatum ist der 20. Juni 1943. Posse selbst war jedoch bereits im Dezember 1942 verstorben, demnach muss das Zeichen von einer unbekannten Person nachträglich eingefügt worden sein, eventuell von Karl Haberstock. Mit dem gleichen Kreuz ist in diesem Reisetagebuch auch Posses Todestag gekennzeichnet (s. Seite 0103).
- 3Posse hielt den Termin für das Treffen mit Generalkommissar Fritz Schmidt am Sonntag, den 16. November 1941, um 13:30 Uhr fest, bei dem die Auswanderung des Kunsthändlers Nathan Katz und dessen Familie in die Schweiz besprochen wurde. Katz hatte Posse drei Tage zuvor gebeten, im Zuge der bevorstehenden Ausreisegenehmigung gegenüber den zuständigen Behören die von ihm gewünschten Einzelheiten bezüglich des mitzuführenden Besitzes und der Verwaltung des in den Niederlanden zurückbleibenden Vermögens zu befürworten (s. BArch, B 323/113, Nr. 87-88, Katz an Posse, 13.11.1941). Posse war bereits im September 1941 von Felix William Wickel ausführlich über die Auswanderungspläne der Familie Katz informiert worden (s. BArch, B 323/113, Nr. 177, Wickel an Posse, 19.09.1941). Die Ergebnisse der Unterredung mit Schmidt resümierte Posse in einem Brief an ihn: "Ich komme noch einmal kurz auf unsere gestrige Besprechung, betreffend Auswanderung des jüdischen Gemäldehändlers Katz und dessen Familie zurück. Es erschien uns wünschenswert, daß diese Auswanderung ohne große Formalitäten als einfache Ausreise vor sich geht, und Sie wollten die Freundlichkeit haben, in diesem Sinne die hiesige Paß- und Ausreisestelle zu verständigen.
Unter Berücksichtigung der durch Katz geleisteten Dienste und auch im Hinblick auf die eventuelle Möglichkeit, sich des Mannes besonders zu Informationszwecken über ausländische Kunstverhältnisse noch weiterhin zu bedienen, möchte ich anheimgeben, ihm Nachstehendes zur Mitnahme ins Ausland freizugeben:
1.) Für ihn und seine Familie Kleider, Leibwäsche etc.
2.) Schmuck seiner Frau etc., der insgesamt einen Wert von 20.000 Gulden nicht übersteigen soll. (Fotografien desselben wären zu den Akten zu geben)
3.) Einen Betrag von 5 - 10.000 Gulden in holländischen Kassenscheinen zur Deckung erster Kosten im Ausland
4.) Eine Anahl von Bildern, die es ihm ermöglichen, sich im Ausland ein neues Geschäft aufzubauen (entsprechende Liste wird mir eingereicht und wird von mir überprüft werden).
Diese Erlaubnis erscheint mir umso unbedenklicher, als Katz seine recht beträchtlichen Mittel an barem Geld und Effekten sowie seinen Grundbesitz in Holland zurückläßt. Er bittet, daß dieses hier verbleibende Vermögen durch seinen arischen Advokaten Mr. de Kempenaer in Arnhem verwaltet werden darf und ihm sowie seinem Bruder zunächst bis zum 31. Dezember 1942 das freie Verfügungsrecht innerhalb der holländischen Landesgrenzen über ihr Vermögen belassen bleibt.
Da der Bruder des N. Katz - Benjamin Katz - hier weiterhin für mich tätig sein wird, meine ich, das Gesuch befürworten zu sollen" (s. BArch, B 323/113, Nr. 85/86, Posse an Schmidt, 17.11.1941). Die Verhandlungen mit den zuständigen Behörden und die Beschaffung der Visa zogen sich noch einige Monate hin, bis die Familie Katz schließlich im Februar 1942 in die Schweiz ausreisen konnte (s. Restitutions Committee recommendation RC 1.90B, S. 9; Liste mit "Personalangaben" zu einzelnen Familienmitgliedern: BArch, B 323/113, Nr. 127, Wickel an Schmidt, 21.10.1941).
Neben der Auswanderung der Familie Katz besprachen Posse und Schmidt auch die Auswanderung der Familie von Alfred und Max Cohen aus Amsterdam. Christiaan George Pouw, der Rechtsanwalt von Alfred Cohen, hatte diese Angelegenheit bereits im Oktober 1941 bei Felix William Wickel vorgetragen (s. BArch, B 323/113, Nr. 117, Wickel an Posse, 23.10.1941) und sich am 14. November 1941 brieflich auch noch einmal direkt an Posse gewendet: "Unter Bezugnahme auf die vorangegangenen Unterhaltungen darf ich Ihnen ergebenst mitteilen, dasz [sic!] einer meiner Mandanten (Nichtarier) eine bedeutende Kunstsammlung - hollaendischer Maler des 17. Jahrhunderts - besitzt. Da mir bekannt ist, dasz solche Objekte fuer Sie von Interesse sind, haette ich den Wunsch, Ihnen diese Sammlung zu zeigen. Meiner Meinung nach wuerde mein Mandant, wenn man ihm dies nahe legt, bereit gefunden werden diese Sammlung schenkungsweise zu überlassen, wenn er hiergegen [...] die Ausreisegenehmigung aus Holland und zwar nach der Schweiz oder nach Spanien erhielte. [...] Die betreffende Sammlung wurde mir von meinem Mandanten ausgehändigt und habe ich, um Ihnen das Urteil ueber meine Proposition zu erleichteren, dieselbe fuer Sie bei der Firma Katz im Haag ausstellen lassen" (s. BArch, B 323/113, Nr. 92, Pouw an Posse, 14.11.1941). Posse besichtigte die angebotenen Gemälde zusammen mit Wickel am 17. November 1941 in der Filiale der Firma D. Katz, Lange Voorhout 35 in Den Haag (s. BArch, B 323/113, Nr. 79 und 91, Pouw an Wickel, 18.11.1941), und nahm das Angebot an (zu den 15 Gemälden s. Seite 0031). Bereits im Vorfeld der Besichtigung hatte Wickel Posse ein Foto-Album der Gemäldesammlung zukommen lassen (s. BArch, B 323/113, Nr. 118, Posse an Wickel, 29.10.1941), woraufhin dieser die Bilder als "eine höchst wertvolle Bereicherung des bisher erworbenen Kunstbesitzes" an Martin Bormann empfahl und um "eine Entscheidung des Führers" bat (s. BArch, B 323/102, Nr. 810, Posse an Bormann, 29.10.1941); Adolf Hitler hatte "gegen die Auswanderung der jüdischen Familie keine Einwände" (s. BArch, B 323/102, Nr. 805, Bormann an Posse, 01.11.1941). Nach der Besichtigung versicherte Pouw als Treuhänder der Gemäldesammlung, diese in das Eigentum des Deutschen Reiches zu übertragen, sobald die Familie im neutralen Ausland angekommen sei (s. BArch, B 323/113, Nr. 79 und 91, Pouw an Wickel, 18.11.1941). Die für die Auswanderung nötigen Formalitäten wurden daraufhin in die Wege geleitet (s. BArch, B 323/113, Nr. 90, Wickel an Schmidt, Eilvorlage mit Personenliste, 19.11.1941; ebd., Nr. 14, Ruoff an Pouw, 23.12.1941; BArch, B 323/114, Nr. 705, Wickel an Schmidt, 03.01.1942). Die Familie Cohen konnte im Januar 1942 nach Spanien ausreisen (s. BArch, B 323/114, Nr. 695, Wickel, Eilvorlage vom 10.01.1942; ebd., Nr. 688, Wickel an Pouw, 13.01.1942) und emigrierte weiter in die USA.