01.1942: Wien (0042) (DKA, NL Posse, Hans, I,B-6)

01.1942: Wien (0042) (DKA, NL Posse, Hans, I,B-6)

Wien

Centraldepot:1

Teppiche ? LR u. AR2

Hdschriften3 , Bücher AR4

3390 - 34445

Wo die noch nicht verteilten Nr.

AR.

noch nicht

gemachtschräg an den linken Seitenrand geschrieben

Teppiche AR  2374 - 2394

2007  20010 - 36

Gobelins AR, 2363. 2364x), 2352

2341  2337

x) Reichs-

minister Frank7

Porzellangruppe Meissen Gu 2348

Kunstgewerbe Wien

beantragt9

Kunstwerke im Bergungsdpt.10

Illustr.11 Bücher von Guttmann

im Denkmalsamt (Perlhof)

Druckgraphik.12

Bei Gu muss Entscheidung

abgewartet werden13

 

Eingebaute Zimmer Rothschild

müssen abtransportiert

werden (ab Frühjahr), vielleicht

5 Waggons. Wilhering oder

Lambach (dieses nahe der Bahn)14

  • 1Bei seinem Aufenthalt in Wien im Januar 1942 sah Posse unter anderem "die jetzt erst sichtbar gemachten Reste des beschlagnahmten Judenbesitzes" durch (s. BArch, B 323/102, Nr. 727, Posse an Bormann, 19.01.1942). Die Stücke aus den beschlagnahmten Wiener Kunstsammlungen waren vorrangig im Zentraldepot eingelagert worden. Im Folgenden notierte er sich noch nicht verteilte Bestände aus den Sammlungen von Louis Rothschild ("LR"), Alphonse Rothschild ("AR") und Rudolf Gutmann ("Gu"). Bei den angegebenen Nummern handelt es sich um die Beschlagnahmekatalognummern der jeweiligen Objekte.

    Posse hatte wohl aufgrund der Menge nicht alle beschlagnahmten Kunstgegenstände endgültig verteilen können und berichtete an Martin Bormann: "In der Hauptsache sind wir nun auf den Grund dieses Bestandes gelangt. Alles wirklich oder einigermaßen Gute an Kunstwerken und kunstgewerblichen Objekten ist bereits verteilt oder angefordert. Ich habe vorläufig veranlasst, dass die umfangreichen Reste, die von keiner Stelle der Ostmark erbeten worden sind bzw. noch erbeten werden, - die Genehmigung des Führers selbstverständlich vorausgesetzt - für eine spätere Verwendung reserviert bleiben und in Kisten verpackt nach Kremsmünster abgeliefert werden. Es sind darunter immer noch viele Stücke, mit denen nach dem Kriege kleinere Museen glücklich gemacht werden können. Der verbleibende Rest kann dann einmal dem Kunsthandel übergeben werden" (s. BArch, B 323/102, Nr. 722, Posse an Bormann, 29.01.1942).

  • 2Die Teppiche aus den Sammlungen von Louis und Alphonse Rothschild blieben vorerst unverteilt. Teppiche und Gobelins aus dem Besitz von Louis Rothschild fanden sich unter den Beschlagnahmenummern LR 263, LR 720 und LR 877 bis LR 885, Teppiche aus dem Besitz von Alphonse Rothschild unter AR 2000 bis AR 2009, AR 2374 bis AR 2394 und AR 3480 bis AR 3481.
  • 3Handschriften
  • 4Die Bücher und Handschriften aus dem Besitz von Alphonse Rothschild, die nicht der Nationalbibliothek zugeteilt wurden, sollten in den Bestand der Fachbibliothek im Führermuseum aufgenommen werden.
  • 5Die Bibliothek mit wertvollen Prachtbänden aus der Sammlung von Alphonse Rothschild war im Beschlagnahmekatalog mit 54 Positionen unter den Nummern AR 3390 bis AR 3444 aufgelistet, bestehend aus 19 Handschriften und 35 gedruckten, teilweise mehrbändigen Buchtiteln (s. BArch, B 323/228, "Wiener Beschlagnahmekatalog", S. 70-71); zu den einzelnen Nummern s. jeweilige Karteikarten auf zdk-online, z. B. AR 3390.
  • 6Diese Teppiche aus der Sammlung von Alphonse Rothschild waren im Beschlagnahmekatalog unter den Nummern AR 2000 bis AR 2009 und AR 2374 bis AR 2394 gelistet (s. BArch, B 323/228, "Wiener Beschlagnahmekatalog", S. 40 und S. 50-51); zu den einzelnen Nummern s. jeweilige Karteikarten auf zdk-online, z. B. AR 2001 oder AR 2374.
  • 7Der Gobelin aus der Sammlung von Alphonse Rothschild mit der Beschlagnahmekatalognummer AR 2364 wurde vermutlich von Hans Frank beansprucht; auf der entsprechende Karteikarte der Zentraldepotkartei ist sein Name notiert, wurde jedoch wieder durchgestrichen (s. Karteikarte auf zdk-online).
  • 8Bei dieser alphanumerischen Kombination handelt es sich um die Beschlagnahmekatalognummern der Porzellangruppe aus der Sammlung von Rudolf Gutmann.
  • 9Diese Porzellangruppe wurde sowohl vom Staatlichen Kunstgewerbemuseum in Wien als auch vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck erbeten; das Kunstgewerbemuseum hatte eine Revisionsbitte vorgebracht, welcher vermutlich stattgegeben wurde, sodass ihm die Porzellangruppe zugeteilt wurde (s. BArch, B 323/1206, Erwerbungswünsche aus beschlagnahmten Kunstbesitz, Teil B: Verzeichnis der Kunstgegenstände nach interessierten Museen und Dienststellen, S. 12 und 39).
  • 10Bergungsdepot;

    Eventuell ist das Reichskunstdepot Kremsmünster gemeint. Dorthin waren schon etliche Kunstwerke transportiert worden, weshalb ihre Verteilung nicht durchgeführt werden konnte.

  • 11Illustrierte
  • 12Vermögen und Besitz von Rudolf Gutmann waren 1938 beschlagnahmt worden. Darunter waren auch jene Kunst- und Kulturgegenstände, die sich auf Gutmanns Liegenschaft Schloss Perlhof in Gießhübl bei Wien befunden hatten. Im Inventar zur Kunstsammlung Gutmann werden als Inhalt des dortigen Tresors illustrierte Bücher (Beschlagnahmekatalognummern Gu 717 bis Gu 727), Handschriften, Stamm- und Stundenbücher (Gu 728 bis Gu 749 und Gu 881 bis Gu 884) sowie Bücher und Sammelbände mit Druckgraphiken (Gu 750 bis Gu 880) aufgeführt (s. BArch, B 323/232, Inventar der Sammlung Rudolf Gutmann, fol. 69-77; s. auch BArch, B 323/228, "Wiener Beschlagnahmekatalog", S. 101-104; zu den einzelnen Nummern s. jeweilige Karteikarten auf zdk-online, z. B. Gu 717 oder Gu 750).

    Posse hatte darauf bestanden, dass bei der Zuteilung der Bibliothek Gutmann eine Entscheidung Adolf Hitlers eingeholt werden müsse und angefragt, ob ein Verzeichnis existiere und bereits Wünsche von Wiener Institutionen bestünden (s. BArch, B 323/106, Nr. 3a/476-477, Posse an Seiberl, 29.04.1941). Daraufhin wurde die Bibliothek Gutmann, die bis dahin noch in Kisten verpackt gewesen war, aufgestellt und durch das Antiquariat Gilhofer & Ranschburg geschätzt (s. BArch, B 323/106, Nr. 3a/435, Zykan an Posse, 24.10.1941; Hall/Köstner (2006), S. 148). Am 15. November 1941 lag die Schätzung über einen Gesamtwert von ca. 45.000,- Reichsmark vor (s. BDA-Archiv, RestMat., K. 20/1, M. 1, Schätzung der Bibliothek Gutmann; BDA-Archiv, RestMat., K. 10, M. 9, Nr. 19), Posse erhielt die Listen auf Nachfrage - nachdem Paul Heigl, der Leiter der Nationalbibliothek, bei ihm seine Zuteilungswünsche aus der Bibliothek Gutmann eingereicht hatte - im Dezember 1941 (s. BArch, B 323/106, Nr. 3a/417, Reimer an Seiberl, 10.12.1941; ebd. Nr. 3a/415, Balke an Posse, 12.12.1941). Posse konnte die endgültige Zuteilung der Druckgraphik und Bücher, die sich nach seiner Notiz im Institut für Denkmalpflege befanden, aus der Sammlung Gutmann bei seinem Wienaufenthalt im Januar 1942 nicht durchführen. In der Folge wurde auch der Bestand an Druckgraphiken aus der Sammlung Gutmann geschätzt (s. BDA-Archiv, RestMat., K. 20/1, M. 7, Schätzungsliste Graphik Gutmann). Geplant war schließlich, die gesamte Bibliothek Gutmann in den Bestand des Führermuseums zu übernehmen und dann eventuell "ein oder zwei Handschriften" anderen Stellen zuzuweisen (s. BArch, B 323/115, Nr. 92, Reimer an Wolffhardt, 24.05.1943).

  • 13Es gab Schwierigkeiten, die Sammlung Gutmann zu enteignen und zu liquidieren, da die juristischen Bedingungen für ein Entzugsverfahren nicht gegeben waren (s. Schwarz (2018), S. 182). Das gesamte Vermögen von Rudolf Gutmann war im September 1938 unter treuhändische Verwaltung der "Gesellschaft zur Verwaltung und Verwertung von Vermögenschaften mbH" gestellt worden. Da man von einer Überschuldung Gutmanns ausging, zögerten die Behörden, sein Vermögen verbindlich zugunsten des Deutschen Reichs einzuziehen. So konnte über die Kunstsammlung Gutmann nicht frei verfügt werden, sondern es hätte für jedes Stück ein Schätzpreis bezahlt werden müssen. Obwohl die Kunst- und Kulturgegenstände aus dem Besitz Gutmanns sichergestellt und beschlagnahmt waren und unter den Museen verteilt wurden, zog sich die von Posse erwartete "Entscheidung" mit der abschließenden vollständigen Übernahme der Bestände über Jahre hin und wurde wohl nie endgültig getroffen. Bezüglich der Bibliothek Gutmann dokumentiert ein Schreiben die Umstände: "In welcher Weise die Übernahme erfolgen und die Abgeltung zu leisten ist, steht trotz dreijähriger Verhandlungen über diesen Punkt leider immer noch nicht fest, da die Brüder Gutmann bei ihrer Emigrierung drei verschiedene ausländische Staatsangehörigkeiten erworben haben von solchen Ländern, mit denen sich das Deutsche Reich nicht im Krieg befindet. Das Reichsfinanzministerium hat mich mit der Klärung wieder um einige Monate vertröstet [...]" (s. BArch, B 323/115, Nr. 92, Reimer an Wolffhardt, 24.05.1943).
  • 14Vermutlich teilte Herbert Seiberl Posse mit, dass die ausgebauten historischen Wandvertäfelungen aus dem Palais von Alphonse Rothschild in der Theresianumsgasse 16-18, das im Auftrag von Nathaniel von Rothschild 1871-79 erbaut worden war (s. Eintrag im Wien Geschichte Wiki), ab dem kommenden Frühjahr aus dem Zentraldepot geräumt und per Zug in mehreren Waggons abtransportiert werden sollten. Eventuell aufgrund des dortigen Platzmangels überlegte man, ob nicht das Reichskunstdepot im Kloster Kremsmünster, sondern die aufgelassenen Stifte Wilhering oder Lambach als Lagerorte dienen könnten, wobei letzteres den Vorteil hatte, direkt neben der Bahnstrecke zu liegen und über eine eigene Bahnstation zu verfügen.

    Zur Klärung der Modalitäten wandte sich Posse im Februar 1942 an August Eigruber, den Reichsstatthalter und Gauleiter von Oberdonau: "Aus dem ehemaligen Palais Rothschild in Wien ist vor etwa 2 Jahren eine Reihe von wertvollen Raumausstattungen (Wandverkleidungen, Decken usw.) ausgebaut und zu späterer Verwendung in einigen Räumen der Neuen Burg in Wien vorläufig deponiert worden. Da die Räume der Neuen Burg jetzt von der Wehrmacht als Lazarett beansprucht werden, macht sich ein baldiger Abtransport der dort deponierten Objekte nötig. Ich wäre Ihnen deshalb sehr dankbar, wenn Sie feststellen lassen wollten, ob zur Unterbringung dieser Bestände geeignete Räume etwa in Kremsmünster zur Verfügung stehen. Besonders dankbar wäre ich Ihnen, wenn Sie nach Feststellung einer Unterbringungsmöglichkeit die Freundlichkeit hätten, sich mit Herrn Direktor Dr. Dworschak direkt über den Abtransport in Verbindung zu setzen" (s. BArch, B 323/124, Nr. 928, Posse an Eigruber, 21.02.1942).

    Die Umlagerung fand schließlich per Spedition in Möbelwagen direkt von Wien nach Kremsmünster statt. Die Verpackungsarbeiten in der Neuen Burg begannen im März 1942 und der Transport zum Kloster Kremsmünster konnte im Juli 1942 abgeschlossen werden (s. BArch, B 323/100, Nr. 624, Posse an Lammers, 16.07.1942 sowie Nr. 625, Rechnung der Wiener Speditionsfirma A. Bartz vom 03.07.1942).