Erstes Reisetagebuch
15. Aug. 39.Venedig.
Feiertag geschlossen.2In
derP. Veronese-Ausstellung.
Carmine5, S. Sebastiano6, S. Polo7
Hotel 2130ca. tel. Anruf
inVeronese-Ausstellg13: AbendWortende
16. Aug.Hotel14Tel. Haberstockaus
Guardi-SchülerGiovanni Migliara
S. Barnaba16
Venez.19Keramik
BlumentellerFabbrica Antoni-
18. Jhdt
- 1Der CaʾPesaro inVenedig, ein zwischen 1659 und 1710 erbauter Palast am Canal Grande, beherbergt u. a. im 1. Stock einMuseum für Moderne Kunst.
- 2Am 15. August, dem 'Ferragosto' begeht Italien den Feiertag Mariä Himmelfahrt. Es handelt sich um einen der wichtigsten kirchlichen und familiären Feiertage Italiens.
- 3vermutlichLudwig Brosch
- 4Gemeint ist die Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari inVenedig.
- 5Gemeint ist die Kirche Santa Maria del Carmine der Karmeliterbruderschaft inVenedig.
- 6Gemeint ist die Kirche San Sebastiano inVenedig.
- 7Gemeint ist die Kirche San Polo inVenedig.
- 8Gemeint ist die Kirche San Rocco inVenedig.
- 9Gemeint ist die Chiesa di San Pantaleone Martire, auch San Pantalon genannt, inVenedig.
- 10Gemeint ist die Kirche San Barnaba inVenedig.
- 11Als Kenner der italienischen und insbesondere auch der venezianischen Malerei des 16. bis 18. Jahrhunderts und Direktor einer der weltweit bedeutendsten Sammlungen italienischer Malerei, derDresdner Gemäldegalerie, besuchte Possegemeinsam mitBroschKirchen, um deren Gemäldeausstattung zu studieren. Die Auswahl der besuchten Kirchen legt nah, dass der Fokus des Interesses dabei auf den WerkenTizians,VeronesesundTintorettosgelegen haben dürfte. Der Kirchenrundgang ergänzte damit dieVeronese-Ausstellung, wie es auch dem Ausstellungskonzept entsprach: So wurden in der Sakristei von San Sebastiano die vonVeronesegemalten Deckenmalereien während der Dauer der Ausstellung von Scheinwerfern ausgeleuchtet (s.Christoffel (1939), S. 317).
- 12Wie die nachfolgenden Notizen zeigen, telefoniertePossean diesem Abend vermutlich mitKarl Haberstock, der sich häufig inKarlsbadaufhielt.
- 13Veronese-Ausstellung
- 14alternative Lesung: "Hitze"
- 15Hier verweist Posse wahrscheinlich auf den 1815 erschienenen Reiseführer"Guida per la città di Venezia allʾamico delle belle arti" vonGiannantonio Moschini.
- 16Gemeint ist die Kirche San Barnaba inVenedig.
- 17Palazzo
- 18Der CaʾRezzonico inVenedig, ein zwischen 1649 und 1756 erbauter Palast am Canal Grande, beherbergt seit 1935 einMuseum für venezianische Kunst des 18. Jahrhunderts.
- 19Venezianische
- 20Dieser Ort ist besonders als Produktionsstätte für Keramikware bekannt und war der ursprüngliche Sitz derPorzellanmanufaktur Antonibon.
AbDresden832
umsteigenHof
München1748
Münchenab 1850
Innsbruck2140
PesterLoyd1
Tyroler Hof,Innsbruck
Montag 9. Okt. 39 nachMün-
Dienstag 10. Okt.München.
Im Führerbau (Architekt
über Stand der Linzer An-
gelegenheit. Zahl der vorhan-
denen Bilder, provisorische
Unterbringung imdeutschen
- 1Eventuell ist die ungarische Tageszeitung "Pester Lloyd" gemeint.
- 2DieGalerie Heinemannam Lenbachplatz inMünchenzählte zu den bedeutendsten Kunsthandlungen Deutschlands. Sie wurde 1938 von dem leitenden MitarbeiterFriedrich Heinrich Zinckgraf 'arisiert' und zunächst unter dem NamenGalerie am Lenbachplatz, später unter dem NamenGalerie Zinckgrafweitergeführt (s. Eintrag zur Geschichte der Galerie aufGalerie Heinemann online).
- 3Posseberiet sich mit dem Generalbaurat für die Neugestaltung der Stadt München,Hermann Giesler, wegen einer provisorischen Galerie für die für dasFührermuseuminLinzvorgesehenen Bilder (s.Schwarz (2004), S. 42;Schwarz (2011), S. 271-272). In welchen großzügigen Dimensionen man sich diese Galerie dachte, verdeutlichen die in Betracht gezogenen Ausweichquartiere, nämlich Schloss Schleißheim, die ehemalige Sommerresidenz der bayerischen Kurfürsten nördlich vonMünchen, dasDeutsche MuseuminMünchenund Burg Burghausen.
- 4Es dürfte sich um den KunsthistorikerEberhard Hanfstaenglhandeln, den vonHitler 1933 eingesetzten und 1937 wieder entlassenen Direktor derNationalgalerie in Berlin.
- 5Telefonat
bringung vorschlägt.3
1535nachInnsbruck(über
Hotel Tyrol am Hauptbahn-
hof. -
11. Okt.Landesmuseum
Rüstkammer 2. Saal
Kat.5 1626 Lederkoller
Panzerhemd, Schwert u.
Gehänge, Spiess von
StephanFadinger (für
auch sonst verschiedene
Kunstsachen (Altäre) aus
Niederdonau, die Wien7 z. Zt.
geliehen hat8
2
- 1Possetelefonierte am 10. Oktober 1939 mitHermann Giesler(s.BArch, B 323/115, Nr. 41, Posse an Giesler, 18.10.1939), der beauftragt war, eine provisorische Galerie für die für das geplanteFührermuseumausgesuchten Gemälde zu finden. Posse erfuhr, dass das dafür in Aussicht genommene Deutsche Museumnur über räumliche Kapazitäten für die Präsentation von 350 Gemälden verfügte.
- 2provisorische
- 3DieSchackgalerie, dieErnst Buchnerals provisorischen Ausstellungsort der im Aufbau begriffenen Sammlung des geplantenFührermuseumsvorschlug, befand sich in der Prinzregentenstraße 9. Sie war ursprünglich für die Kunstsammlung desGrafen Adolf Friedrich von Schackerrichtet worden und ging 1941 in den Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ein (s.Schwarz (2011), S. 272).
- 4Gemeint ist das Hotel Gablerbräu, Linzergasse 9, in der AltstadtSalzburgs. Vermutlich handelte es sich um eine EmpfehlungErnst Buchners. Posseübernachtete jedoch im Hotel Österreichischer Hof (s.Eintrag vom 12.09.1939).
- 5Es handelt sich um die Abkürzung für "Katalognummer". 1626 ist die Inventarnummer von Koller, Panzerhemd, Spieß und SäbelStephan Fadingers (s.Ilg/Boeheim (1882), S. 44).
- 6Gemeint ist vermutlich dasOberösterreichische Landesmuseum inLinz, das die Ausrüstung des oberösterreichischen BauernführersStephan Fadingerangefordert hatte (s.Schwarz (2018), S. 76).
- 7Gemeint ist dasKunsthistorische Museum Wien, wo sich seit dem 19. Jahrhundert ein Teil der Ambras'schen Sammlung befand.
- 8Schloss Ambraswar und ist eine Außenstelle desKunsthistorischen Museums.Possenotierte sich hier Exponate, die er für die Zuweisung an Landesmuseen in Betracht zog, ganz im Sinne vonHitlersMuseumsprogramm zu deren Stärkung. So zog er in Betracht, demOberösterreichischen LandesmuseuminLinzRüstung und Waffen vonStephan Fadinger und demNiederösterreichischen LandesmuseuminWien Altäre aus Niederdonau zuzuweisen.Linzhatte eine Zuweisung gefordert, weil Stephan Fadinger als Anführer der aufständischen Bauern des Traun- und Hausruckviertels im Bauernkrieg eine zentrale Figur der oberösterreichischen Landesgeschichte war (s.Schwarz (2018), S. 76).Hitlerentschied dann aber, dass die historischen Sammlungen desKunsthistorischen Museumsunangetastet bleiben sollten.
NebenGrazdie Gemälde
sammlung desFerdinandeums
die bedeutendste u.auf ihren Gebietenausbau
fähigste
Diemodernebeschränkt sich haupt-
sächlich auf Tiroler Meister
fast alles Kopien, nur 2 Ori-
ginale;ihmder schönste Saal
Lienz.Egger-Lienz= Bilder
aus Wiener Judenbesitz.3
3 Säle moderner Tiroler Kunst
vorhanden, aber aus Raum-
mangel deponiert.
(mitGraf Trapp), daGau-
leiternicht anwesend. -
In der Pfarrkirche (Asam).5
MitGraf Trappim Hotel.
Abends mit Prof. Steinacker6
- 1Franz von Defreggerwar ein Genre- und Historienmaler der Münchner Schule.Hitlerbesaß einige WerkeDefreggers in seiner Sammlung (s.Schwarz (2011), S. 105, 173-175, 186-189, 259-260).
- 2In seinem Bericht anHitlerschriebPosse: "Auch die zurzeit wegen Raummangels zum größten Teil deponierte Abteilung neuerer, besonders Tiroler Malerwerke müßte in Zukunft ausgebaut werden, da ein Tiroler Hauptmeister wieDefreggeraußer durch 2 Originale nur durch eine Reihe von Kopien vertreten ist" (s.BArch, B 323/229, Hans Posse, Bericht über die Landesmuseen der Ostmark, II. Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck, abgedruckt in:Schwarz (2018), S. 204-210, hier S. 208).
- 3Unter dem beschlagnahmten und sichergestellten jüdischen Kunstbesitz befanden sich einige Werke des Tiroler MalersAlbin Egger-Lienz, diePossedemFerdinandeumin Innsbruck zuteilen wollte (s.BArch, B 323/229, Hans Posse: Bericht über die Landesmuseen der Ostmark, II. Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck, abgedruckt in:Schwarz (2018), S. 204-210, hier S. 208). Allerdings wurde das Vorhaben nicht realisiert, da Osttirol an das Reichsgau Kärnten angegliedert wurde und in der Folge der Großteil der Werke vonEgger-LienzdemHeimatmuseumin Lienz, der Geburtsstadt desMalers, überwiesen wurde (s.Schwarz (2018), S. 114).
- 4Dieser Eintrag bezieht sich auf die Reise nachSalzburg, diePosse einen Tag später, am 12. Oktober 1939, antrat. Das Hotel Österreichischer Hof ist heute das Hotel Sacher in der Schwarzstraße 5-7.
- 5Vermutlich ist der Innsbrucker Dom zu St. Jakob gemeint, der mit Deckenfresken vonCosmas Damian Asamund Stuckarbeiten von dessen BruderEgid Quirin Asam ausgestaltet wurde.
- 6Vermutlich istHarold Steinackergemeint, Historiker und Professor an derUniversität Innsbruck. Steinackerhatte inWienGeschichte und Historische Hilfswissenschaft studiert, sich 1905 dort habilitiert und war einer der führenden Vertreter einer 'volksdeutschen' Geschichtsauffassung.
aus Park Mirabell.1
Museum städtisch, Residenz Gau
Geplant Erweiterung durch Anbau
eines Flügels
Gebäude ursprüngl städt.2
Getreidespeicher 1624 - 30 ge-
baut).3
¾ 180nachMünchen.
Hotel Grünwald5
14. Okt. 80nachDresden
zurück.
%
2
- 1Possebesichtigte die Salzburger Residenz.
- 2ursprünglich städtischer
- 3Informationen zur Geschichte desSalzburger Museums Carolino Augusteumfinden sich in Ehrenfellner (1984).
- 4Hohensalzburg liegt auf dem Festungsberg oberhalb der StadtSalzburg. Hier hatteKarl Haberstock,PossesVorgänger als Kommissar für die Verteilung der jüdischen Kunstsammlungen, die Präsentation von Kunstgewerbe der Gotik und Renaissance vorgesehen (s.Schwarz (2018), S. 43-51, hier S. 50).HaberstocksMuseumsplan fürSalzburgwurde nicht realisiert, doch dürfte sichPossedie Räumlichkeiten unter dem Aspekt der Museumstauglichkeit angesehen haben.
- 5Das Grand Hotel Grünwald befand sich in München in der Nähe das Hauptbahnhofes (Hirtenstraße/Ecke Dachauer Straße).
Architekt Kötgen1.
Abend ½ 110nachWarschau
1. Dez. 1939
1 Wort (?) in Kloster (238)
na Skalze3
Kgl.4Schloss5 (vollkommen zer-
schossen)
Knöffel-Fassade für
Dresden (Steinteile)
Fussböden(meist modern), Raumver-
kleidungen usw.
Bacciarelli-Plafond.6
Kronleuchter.7
Vilanow Wilanowumrahmt
Major
Oberst 1 Wort (durchgestrichen)
Kommandautur9 1 Wort
Divisionsarzt.
- 1Eventuell ist Franz Koettgen gemeint.
- 2Die Adresse des Hotels Europa war Krakauerstr. 13 (s.Baedeker/Steinheil (1943), S. 85). Bei den Nummern '217' und '238' handelt es sich vermutlich um Zimmernummern.
- 3Vermutlich handelt es sich bei dem ersten unleserlichen Wort um eine phonetische Schreibweise, worauf auch das Fragezeichen deuten könnte. Wahrscheinlich ist die St.-Michael-und-Stanislaus-Kirche mit dem Paulinerkloster (Klasztor Ojców Paulinów na Skałce) auf dem Skałkahügel inKrakaugemeint, die auf polnisch auch kościołem Na Skałce genannt wird.
- 4Königliches
- 5Das Warschauer Königsschloss (Zamek Królewski w Warszawie) wurde im September 1939 infolge der deutschen Luftangriffe weitgehend zerstört.
- 6Während der deutschen Belagerung vonWarschaufielen am 17. September 1939 deutsche Bomben auf den Großen Assembléesaal (Ballsaal) des Königsschlosses, sodass das Deckengemälde des italienischen MalersMarcello Bacciarelliherabstürzte (s.Rottermund/Bronarski/Ostrowska et al. (2004), S. 16-17).Possehatte vor, das DeckengemäldeBacciarellis, der auch inDresdentätig gewesen war, nachDresdenbringen zu lassen.
- 7Possebeantragte nach seiner Reise ins Generalgouvernement beiHitler, die erhaltenen Teile der Fassade und der Innenausstattung des Warschauer Königlichen Schlosses, das 1944 vollständig zerstört wurde, für die Ausstattung des Dresdner Zwingers zu verwenden: "Ferner wäre es bei dem besonderen Interesse, das Dresden an dem geretteten Inventar des Warschauer Schlosses haben muß, da sächsische Architekten und Künstler es ausgebaut haben, erwünscht, wenn die geretteten Teile der Innenausstattung (Wandverkleidungen, Türen, eingelegte Fußböden, Plastiken, Spiegel, Glaslüster, Möbel, Porzellane usw.) für den Innenbau der Pavillons des Dresdner Zwingers zur Verfügung gestellt werden könnten." (s.BArch, B 323/163, Nr. 211-214, Hans Posse, Bericht über die auftragsweise übernommene Reise nach Krakau und Warschau zur Unterrichtung über die Art und den Umfang der beschlagnahmten Kunstwerte).
- 8Wilhelm Richter, Professor derUniversität Greifswaldund Divisionsarzt inWarschau, batPosse,Martin Bormannmitzuteilen, dass er in Polen "sehr interessante Personalakten unseresRobert Kochgefunden" hätte, die erBormannoderHitlerüberreichen wollte (s.BArch, B 323/103, Nr. 248, Posse an Bormann, 14.12.1939). Im Dezember 1939 erhieltRichterden Auftrag zur Neuordnung des militärischen und zivilen Gesundheitswesens im gesamten Generalgouvernement Polen.
- 9Vermutlich ist die Kommandantur IV c inWarschaugemeint, wie der Eintrag auf der folgenden Seite zeigt (s.Eintrag vom 02.12.1939).