Drittes Reisetagebuch
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2. Okt. 40.Denkmalsamt– Bei
Sekretärin Frau. Wilscher(vonM. R.3Habermann)
Visum
Hirschberg.6
Frau mitnehmen.
Abfahrt 130ca
- 1Possesuchte dasAntiquitätengeschäft Lia Madlauf, um diebeiden spätgotischen Holzreliefsanzuschauen, dieHerbert Seiberlzum Ankauf empfohlen hatte (s. auch Notizen auf dervorhergehenden Seite). Da das Geschäft geschlossen war, kam der Ankauf nicht zustande (s.BDA-Archiv, RestMat.,K. 10, M. 5, fol. 2, Posse an Seiberl, 08.10.1940).
- 2Gemeint ist nicht die StadtDresden, sondern ein unbekannter Gesprächspartner, der sich dort befand.
- 3Ministerialrat
- 4Es handelte sich wohl um den Namen des Fahrers des Dienstwagens, mit dem die Herren nachMarschendorffuhren.
- 5Nach ihrem Treffen am 1. Oktober 1940 (s.Eintrag vom 01.10.1940) fuhrenPosseundHermann Habermannam 3. Oktober zuJaromir CzerninnachMarschendorf. In dessen Schloss besprachen sie den Ankauf desVermeer-Gemäldes "Die Malkunst" für dasFührermuseum. In Folge der Besprechung legtePosseJaromir Czerninam 4. Oktober einen "Kaufantrag" über 1,65 Millionen Reichsmark vor (s.Beschluss des Wiener Kunstrückgabebeirats vom 18.03.2011, S. 15; allgemein zum Verkauf des Gemäldes im Oktober 1940 s.Hehenberger/Löscher (2013), S. 142-150; s. auchDKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch, Einträge zum 02.-05.10.1930: "2. [Oktober 1940]Wien. -Landesdenkmalamtusw. 3. Mittags nachMarschendorf i. Riesengebirgezum GrafenJaromir Czernin. 4. Ankaufsverhandlungen überVermeerabgeschlossen. 5. Früh zurück nachDresden.").
- 6Eventuell istHirschberg im Riesengebirgegemeint. Dort befand sich die nächste Bahnstation.
- 7vermutlich Telefonnummer
- 8Adresse inWienim vierten Gemeindebezirk
- 9Vermutlich ist der WienerSchroll-Verlaggemeint, in dem 1942 eine vonPosseverfassteCranach-Monografie erschien (Posse, Hans: Lucas Cranach d. Ä. Wien 1942).
- 10Telefonnummer
- 11Telefonnummer
- 12Nach dem Frankreichfeldzug hatteHitlerim Sommer 1940 eine Verordnung erlassen, nach der alles ins Ausland verbrachte deutsche Kunst- und Kulturgut zu erfassen war. Possewar als Mitglied der Kommission involviert, die PropagandaministerJoseph Goebbelsin Fragen der Rückführung deutschen Kulturgutes beriet (s.Schwarz (2014), S. 137-157). Er notierte sich auf dieser sowie der folgenden Seite mögliche 'Repatriierungs'-Objekte, die aus den Gemäldesammlungen inWienundMünchen nachLyongelangt waren (s. auch Eintrag vom 02.10.1940). Am 4. Juli 1940 hatteLeopold Ruprecht Posseüber "verschleppte Kunstwerke" informiert; mit dieser Angelegenheit beschäftigte sich Posse nun während seines Aufenthalts in Wien (s.BArch, B 323/108, Nr. 281-282, Ruprecht an Posse, 04.07.1940 sowie Nr. 277, Posse an Ruprecht, 26.07.1940; s. auchSavoy (2011), S. 302-308). Zur Recherche nach Kulturgut deutscher Provenienz und Erstellung von Rückforderungslisten waren Wissenschaftler desKunsthistorischen Museumsim Sommer 1940 nachParisund in andere Städte Frankreichs gereist.
- 13Madonna
- 14breit
Identifikator
DKA, NL Posse, Hans, I,B-4 (0039)
Listen1
1. Schloss Armainvilliers2
Honoré (in Depot
rue de Lille)5
3. Sichergest.6Bilder (ggwärtig7im
deutschen Inst.rue Domi-
4. Schloss Ferrieres.
(2 Cuyps,)9Zuskunft10in /Hendaye11
Listen zurückbringen.12
Armainvillers13/ (Terborchusw) / alter Besitzer? R.14?)
Karten abgeben(Speidel,Best/KütgensZeitschel/Metternich
Klemmergummis15
Rahmen Schokolade.
Seife
Cigarren
Schuhe
Koffer
Rahmen(Rotsch)
- 1Posseerhielt vier Listen beschlagnahmter jüdischer Kunstsammlungen, die er im Folgenden aufführte.
- 2Die erste Liste führt die auf Schloss Armainvilliers der Familie Rothschild (s.Eintrag "Château d'Armainvilliers, Seine-et-Marne, France"auf der Familien-/Archivhomepage der Rothschilds) inGretz-Armainvilliers 'sichergestellten' und in das Depot derDeutschen Botschaftverbrachten Kunstwerke auf (s.BArch, B 323/308, fol. 65-68, Nr. 989-1001, Verzeichnis der durch die Deutsche Botschaft Paris sichergestellten Bilder und Kunstgegenstände, S. 239-251).
- 3Faubourg
- 4Saint
- 5Die zweite Liste betraf die Sammlung vonMaurice de Rothschildaus dem Pariser Palais in der 41 Rue du Faubourg Saint-Honorè (s.Eintrag "41, rue du Faubourg-Saint-Honoré, Paris, France"auf der Familien-/Archivhomepage der Rothschilds), die sich im Depot derDeutschen Botschaftbefanden (s.BArch, B 323/308, S. 16-43, Nr. 791-901, Verzeichnis der durch die Deutsche Botschaft Paris sichergestellten Bilder und Kunstgegenstände, S. 49-154).
- 6Sichergestellte
- 7gegenwärtig
- 8Die dritte Liste führte 'sichergestellte' Gemälde auf, die sich imDeutschen Institut, 57 Rue Saint-Dominique,Paris, befanden. Mit einem Teil der sichergestellten Kunstwerke hatte BotschafterAbetzdieDeutsche Botschaftim Palais Beauharnais in der 78 Rue de Lille ausgestattet (s.Ebeling (2016), S. 151, 156-157).Posseerhob Anspruch auf sieben davon für dasFührermuseum. Hitlererklärte sich am 16. November 1940 inMünchenmit der Übernahme dieser Kunstwerke fürLinzeinverstanden (s.BArch, B 323/183, fol. 20, Posse an Bormann, 20.10.1942). Es handelte sich um folgende Werke: "zwei große Aelbert Cuyp, eingroßer Terborch, ein Wouwerman, ein Siberechts, eingroßer Canalettosowie dieschöne große Tafel mit der Parissage, das Hauptwerk des Deutschen Matthias Gerung" (s.BArch, B 323/103, fol. 27, Nr. 124b, Posse an Bormann, 11.12.1940). Lange tat sich in dieser Angelegenheit nichts, sodassPosseim Oktober 1942 – sechs Wochen vor seinem Krebstod – erneutBormanneinschaltete.Hitlerentschied postwendend, die Kunstwerke seien umgehend in den Führerbau nachMünchenzu bringen (s.BArch, B 323/183, fol. 19, Bormann an Lammers, 25.10.1942; s. auchBArch, B 323/183, fol. 21, Reichskanzlei an den Reichsminister des Auswärtigen und an den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht). Dennoch mussteBormannim Februar 1943 noch einmal nachfragen (s.BArch, B 323/183, fol. 22, Bormann an Lammers, 11.02.1943; für den weiteren Vorgang s.BArch, B 323/183, fol. 22ff.). Am 16. April 1943 trafen die Objekte per Sondergepäckwagen des D-ZugesParis-Münchenin der bayerischen Hauptstadt ein (s.BArch, B 323/183, fol. 25, Auswärtiges Amt an Reichskanzlei, 20.04.1943 und Reichskanzlei an Voss, 25.04.1943); es handelte sich um fünf Gemälde [die beiden Cuyps, der Terborch, der Canaletto und der Gerung; s. o.] und einenPrunkschreibtisch(s.BArch, B 323/159, Aktenvermerk Reger, 17.04.1943).
- 9Die vierte Liste führte die Kunstwerke aus dem Rothschild'schen Schloss Ferrières (s.Eintrag "Château de Ferrières, Seine-et-Marne, France"auf der Familien-/Archivhomepage der Rothschilds) inFerrières-en-Brieauf (s.BArch, B 323/293, S. 71). Darunter, so notierte sichPosse, befanden sich die beiden angeforderten Gemälde vonAelbert Cuyp"Landschaft mit Vieh und Reitern" und "Eine Familie in einer Landschaft".
- 10Zusammenkunft
- 11Gemeint ist wohl das Treffen vonAdolf HitlerundFrancisco Francoam 23. Oktober 1940 inHendaye.
- 12Posseerstellte hier eine Erledigungsliste. Die Durchstreichungen bedeuten vermutlich, dass die entsprechenden Punkte erledigt waren.
- 13Gemeint sind Kunstwerke aus Schloss Armainvilliers der Familie Rothschild.
- 14Rothschild
- 15Damit waren wohl Klemmgummis gemeint, die man vermutlich für den Transport von Gemälden/Kunstwerken brauchte.
Identifikator
DKA, NL Posse, Hans, I,B-4 (0063)