Erstes Reisetagebuch
8.1 90imLandesmuseum2
u. in verschiedenen Depots.
Stadtpläne im Steinsaal3
desLandhauses4
der Gauleitung. 110beim
Gauleiter Eigruber.5 In der
städt. Volkskundeslg.6usw.
Ab 40 Landesmuseum. Abend
mitDr Schmidt.
9.7 (Sonntag). 100nachSt. Pölten
1335inLilienfeld. Ab 1740
überSt. PöltennachWien.
Dworschak, anschliessend Be-
sichtigg10der beschlagnahmten
Kunstwerke (über 8000 Stück)
mit MinisterialratL. Bittner,
11.1390- 120Hofburg mitAdriani
anschliessendÖsterreichischeDr. [?]
Galerie(Klinger)14;Dr. Blauen-
steiner. 20mitDr. Ruprecht15
Fortsetzg16S. 9.
2
- 1Datumsangabe: 8. Juli 1939
- 2Posseinspizierte die Bestände desOberösterreichischen Landesmuseumsunter dem Aspekt, welche Objekte sich für eine Übernahme in dasFührermuseum eigneten und notierte sich auf den folgenden Seiten vermutlich diejenigen Kunstwerke, die ihm geeignet erschienen (s.Schwarz (2018), S. 61;BArch, B 323/229, Hans Posse, Bericht über die Landesmuseen der Ostmark, I. Das oberösterreichische Landesmuseum Linz (Donau), abgedruckt in:Schwarz (2018), S. 204-210, hier S. 204-205).
- 3Vermutlich ist der Steinerne Saal desLinzer Landhausesgemeint (s.Homepage des Oberösterreichischen Landtags).
- 4Linzer Landhaus: s.Homepage des Landes Oberösterreich, Eintrag zum Jahr 1938
- 5August Eigruberwar vonMartin Bormannangewiesen worden,Possebei seiner Aufgabe zu unterstützen (s.BArch, B 323/163, Nr. 238, Bormann an Eigruber, 26.06.1939).
- 6Die städtische Volkskundesammlung war Teil derStädtischen Sammlungen, die an dieKulturverwaltung der Stadt Linzangegliedert waren. Sie befand sich in der Bethlehemstraße 31/33. Hier trafPosseden Leiter desKulturamtes August Zöhrer, mit dem er sich über die städtische Sammlungspolitik ausgetauscht haben dürfte (s. Schwarz (2018), S. 61-62).
- 7Datumsangabe: 9. Juli 1939
- 8Datumsangabe: 10. Juli 1939
- 9Das Parlamentsgebäude am Ring, 1874 bis 1883 nach einem Entwurf vonTheophil von Hansenim neoklassischen Stil erbaut, war Amtssitz von GauleiterJosef Bürckelund damit das Zentrum der nationalsozialistischen Herrschaft inWien.Possemachte als SonderbeauftragterHitlersseinen Antrittsbesuch.
- 10Besichtigung
- 11In der Neuen Burg, dem unterKaiser Franz Joseph I.erbauten Erweiterungsbau der Hofburg, dessen Innenausbau vor dem Zusammenbruch der Monarchie nicht mehr fertiggestellt werden konnte, war einZentraldepot der beschlagnahmten und sichergestellten Kunstwerkeeingerichtet worden, dasPosseam 10. Juli 1939 erstmalig besichtigte (s.Schwarz (2018), S. 64-66).
- 12Possehatte inWienKunstgeschichte studiert und war 1903 amInstitut für Kunstgeschichte der Universität Wienpromoviert worden (s.Rudert (2015), S. 69-71). Für seine Tätigkeit in der 'Ostmark' von noch größerer Bedeutung war, dass er Mitglied desInstituts für Österreichische Geschichtsforschungwar, an dem fast alle österreichischen Museumsbeamten ihre Staatsprüfung abgelegt hatten (s.Schwarz: Rittmeister und Excellenz (2014), S. 231-254). Als solches wurde er von einer Abordnung dieser Institution empfangen (s.Schwarz (2018), S. 63-64).
- 13Datumsangabe: 11. Juli 1939
- 14Es handelt sich um das Gemälde "Urteil des Paris" vonMax Klinger, das sich im Besitz derÖsterreichischen Galerie in Wienbefand.
- 15Leopold Ruprechtwar 1938 Direktor derWaffensammlung des Kunsthistorischen Museums Wiengeworden und zuständig für die Inventarisierung der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen imZentraldepot(s.Iselt, Kathrin (2010), S. 161).
- 16Fortsetzung
12. Okt. 39
100nachSalzburg
Hotel Österreichischer Hof.
Zimmer 562
Residenz Prunkräume 9 - 12
2 - 6
Bildergalerie III. St.3
Nm.4Schloss u. ParkMirabell
Dom. St. Peter, Franziskaner-
kirche usw.
Museum
Mirabell? -Landes
museum5
13. Okt.Kustos Dr. Silber
In der Residenz (Prunkräume. Ma-
lereien vonRottmayru.Altomonte
- 1Die Hofkirche inInnsbruck wird auch Franziskanerkirche oder Schwarzmander-Kirche genannt. Sie wurde in den Jahren 1553 bis 1563 erbaut.
- 2Possestieg im Hotel Österreichischer Hof, dem heutigen Hotel Sacher, in der Schwarzstraße ab, das unweit des Schlosses Mirabell gelegen ist.
- 3Possenotierte sich die Öffnungszeiten der Alten Residenz, einer großen fürsterzbischöflichen Palastanlage in der Altstadt von Salzburg, deren Prunkräume und Gemäldegalerie zu besichtigen waren. Er besuchte sie am Tag darauf.
- 4Nachmittags
- 5Es gab Überlegungen, in Schloss Mirabell, das in städtischem Besitz war, eine Abteilung desLandesmuseumsunterzubringen (s.Schwarz (2018), S. 50, 78-79).
- 6Posse sah sich Schloss Mirabell in Anlehnung anKarl HaberstocksMuseumskonzept fürSalzburg(s.Schwarz (2018), S. 50) unter dem Aspekt an, hier eventuell eineHans Makart-Sammlung unterzubringen. Das Gebäude war mit dem inSalzburggeborenen Maler eng verbunden, daHans Makarts Vaterhier als Zimmeraufseher gearbeitet hatte (s.Schwarz (2018), S. 78-79).Makarts Biografie nahm eine Schlüsselfunktion in HitlersSelbstverständnis als verkannter Künstler und Genie ein (s.Schwarz (2011), S. 41-43).
aus Park Mirabell.1
Museum städtisch, Residenz Gau
Geplant Erweiterung durch Anbau
eines Flügels
Gebäude ursprüngl städt.2
Getreidespeicher 1624 - 30 ge-
baut).3
¾ 180nachMünchen.
Hotel Grünwald5
14. Okt. 80nachDresden
zurück.
%
2
- 1Possebesichtigte die Salzburger Residenz.
- 2ursprünglich städtischer
- 3Informationen zur Geschichte desSalzburger Museums Carolino Augusteumfinden sich in Ehrenfellner (1984).
- 4Hohensalzburg liegt auf dem Festungsberg oberhalb der StadtSalzburg. Hier hatteKarl Haberstock,PossesVorgänger als Kommissar für die Verteilung der jüdischen Kunstsammlungen, die Präsentation von Kunstgewerbe der Gotik und Renaissance vorgesehen (s.Schwarz (2018), S. 43-51, hier S. 50).HaberstocksMuseumsplan fürSalzburgwurde nicht realisiert, doch dürfte sichPossedie Räumlichkeiten unter dem Aspekt der Museumstauglichkeit angesehen haben.
- 5Das Grand Hotel Grünwald befand sich in München in der Nähe das Hauptbahnhofes (Hirtenstraße/Ecke Dachauer Straße).
Polen1
24. Nov. 39 1229vonDresden
nachBreslau.
Abend mitDr. Corn. Mülleru Frau3
MühlmannPalais
Potoski (Ring)4
25. Nov. Früh 60nachKrakau
Restaurant Hawelka9
Grand Hotel10
Hotel Pollera, Spitalgasse
Zimmer 3711
Swantewitt-Stele 12 in der
Akademie der Wissenschaften13
Sakobskagasseggüber14
Martinskirche
AnkunftKrakau1320
BeiOberbürgermeister Zörner,15
Nachm.16 National Museum
(nationalpolnische Kunst
bes.1719. Jhdt; sonst nichts
Bedeutendes). Abend im
- 1HitlersandtePosseauf Inspektionsreise nach Polen (s.Schwarz (2014), S. 114-120). Wie zuvor im 'angeschlossenen' Österreich sollte er beschlagnahmte Kunstwerke inspizieren und einen Vorschlag über ihre Verwendung ausarbeiten.
- 2Vermutlich hattePosseim Hotel Polski, Basteigasse 17, kein Zimmer mehr bekommen, weshalb er den Namen strich. Noch das Reisehandbuch vonKarl Baedeker, das 1943 auf Wunsch des Generalgouverneurs des besetzten Polens,Hans Frank, verlegt wurde, weist ausdrücklich darauf hin, dass die Hotels meist besetzt seien und eine Voranmeldung bzw. eine Zimmervermittlung durch das Quartieramt erforderlich sei (s.Baedeker/Steinheil (1943), S. 33).Posseübernachtete stattdessen im Hotel Poller/Pollera.
- 3Posseverbrachte nicht nur den Abend beiCornelius Müller-Hofstede, dem Direktor desSchlesischen Museums der Bildenden KünsteinBreslau, und dessen Frau, er übernachtete auch dort (s.DKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch, Eintrag vom 24.11.1939).
- 4Vermutlich ist das Palais Potocki, auch Pałac pod Baranami, 27 Rynek Główny (auch Ring genannt), inKrakaugemeint. Dort befand sich während der deutschen Besatzung das militärische Hauptquartier der Kommandantur des Distrikts Krakau.
- 5Possenotierte sich den Namen vonGustav Barthel, Direktor der Städtischen Kunstsammlungen inBreslau, der als MitarbeiterKaj Mühlmannsstellvertretender Leiter der Gruppe Süd des Sonderbeauftragten für die Sicherung der Kunst- und Kulturschätze war (s.BArch, R 43II/1341a, Bericht über die Überprüfung der Gesamttätigkeit für die Erfassung der Kunst- und Kulturschätze im Generalgouvernement).
- 6Wawel bezeichnet eine Burganlage auf dem gleichnamigen Hügel inKrakau. Ab dem 11. Jahrhundert war der Wawel Residenz der polnischen Könige inKrakau. Von 1939 bis 1945 war das Wawelschloss Regierungssitz des Generalgouvernements der deutschen Besatzungsmacht. Auf dem Wawel befinden sich auch dieStaatlichen Kunstsammlungen.
- 7Burghauptmann
- 8Possehatte vonHitlerden Auftrag erhalten, sich inKrakau mit Hans Frankzu treffen, der am 26. Oktober 1939 sein Amt als Generalgouverneur angetreten und mit der ersten "Verordnung über den Aufbau der Verwaltung der besetzten polnischen Gebiete“Krakauzu seinem Dienstsitz bestimmt hatte. Seine Residenz richtete er auf dem Wawel ein. Da FrankbeiPossesEintreffen auf Rundreise im Gouvernement war, trafPosse dessen Stellvertreter, Staatssekretär Josef Bühler. Es wurde wohl verabredet, dassPosseerst einmal nachWarschaufahren solle, umFrankdann nach dessen Rückkehr inKrakauzu treffen. Aber auch dieses Treffen kam nicht zustande, wiePosseam 14. Dezember 1939 anBormannberichtete: „Leider war es mir nicht möglich, mich beiHerrn Generalgouverneur Reichsminister Dr. Frankpersönlich zu melden, da er von seiner Rundreise im Gouvernement nachKrakauzurückgekehrt unvorhergesehen bereits wieder verreist war, als ich vonWarschauzurückkam.“ (s.BArch, B 323/103, Nr. 248).
- 9Possenotierte sich offenbar Restaurantempfehlungen fürKrakau. Das Restaurant Hawelka befand sich am Hauptplatz, dem Alten Markt/Rynek (ab 1941 Adolf-Hitler-Platz) 34, Ecke Stephansgasse 3 (s. Baedeker/Steinheil (1943), S. 34).
- 10Das Restaurant im Grand Hotel befand sich in der Hauptstraße 5.
- 11Possehatte im Hotel Poller/Pollera in der Spitalgasse (ul. Szpitalna) 30 im Zentrum vonKrakaudas Zimmer Nr. 37 reserviert.Possebenutzte die polnische Namensform Pollera.
- 12Eventuell ist das sogenannteIdol von Sbrutsch(polnisch: Światowid ze Zbrucza) gemeint.
- 13Eventuell ist die Polska Akademia Umiejętności(deutsch: Krakauer Wissenschaftliche Gesellschaft; Polnische Akademie der Gelehrsamkeit) gemeint, die sich in der Straße Sławkowska gegenüber der Kirche Św. Marka befindet.
- 14Bei dem unleserlichen Wort könnte es sich um eine phonetische Schreibweise von Sławkowska handeln, sodass die Notiz folgendermaßen aufzulösen wäre: "Sławkowska gegenüber".
- 15Possekannte Ernst Zörner, den Bürgermeister vonKrakau, sehr gut aus dessen Dienstzeit als Oberbürgermeister vonDresden.
- 16Nachmittags
- 17besonders
- 18Städtischen
- 19DasPolnische Nationalmuseumwar zum Staatskasino umfunktioniert worden, das nur für Angehörige und Gäste der Regierungsbehörden zugänglich war (s.Baedeker/Steinheil (1943), S. 34 und S. 49).
Brühlsches Palais1: ausser
Fassade nicht Originales.
Völlige Modernisierung vor
ca 6 Jahren.2
Bilder vonMaulbertsch
imMusseum Ossolineum Oskolineum
zuLemberg, ebenda
2. Dez. 39
Privatsammlungen
Krasinski4 zur Hälfte, Zamoijski5
ein knappes Fünftel, Przezdizienski6
ein Zehntel der Sammlung er-
halten, das übrige verbrannt.
Kommandatur IV c
- 1Das Brühlsche Palais war ein Barockschloss inWarschau. 1944 wurde es von der Wehrmacht gesprengt.
- 2Das Gebäude diente vor dem Ersten Weltkrieg als Telegraphenamt, danach wurde es vom polnischen Außenministerium genutzt und fungierte unter deutscher Besatzung als Distriktsamt (Dienstsitz des Gouverneurs) (s.Baedeker/Steinheil (1943), S. 90).
- 3Mit "W. K." dürfteWolfgang Krodel der Älteregemeint sein, der aus kunsthistorischer Sicht zur Schule Lucas Cranachs gehört. Die Information könnte fürPosseals Cranachforscher interessant gewesen sein. Möglicherweise war er aber auch wegen des Sammlungsaufbaus für dasFührermuseum anWolfgang Krodelinteressiert, in dem er eine Abteilung für Künstler der Donauschule einrichten wollte. InWarschautrafPossemitLeopold Ruprechtund Eduard Holzmairzusammen (s.DKA, NL Posse Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch, Eintrag vom 01.12.1939), welche im Stab des 'Beauftragten für die Sicherstellung des polnischen Kunstbesitzes' Kaj Mühlmanntätig waren. Von ihnen könnte er diese Informationen erhalten haben.
DasMuseum Ossolineum interessiertePossevor allem wegen seiner hochrangigen Dürer-Sammlung (s. auchEintrag vom Dezember 1939). Zudem war Lembergzu diesem Zeitpunkt sowjetisch besetzt, die Dürer-Sammlung also außerhalb seines Verfügungsbereichs und daher auch nicht Teil seines aktuellen Auftrags. Gleichwohl erwähntePosse die Sammlung in seinem Polen-Bericht: "Vielleicht wird es später möglich sein, die siebenundzwanzig Blätter vonDürerfür Deutschland zu retten." (s. BArch, B 323/163, Nr. 211-214, Hans Posse, Bericht über die auftragsweise übernommene Reise nach Krakau und Warschau zur Unterrichtung über die Art und den Umfang der beschlagnahmten Kunstwerte). Tatsächlich wurden die Dürer-Zeichnungen im Juli 1941, nach dem Überfall auf die Sowjetunion, vonKaj Mühlmann 'sichergestellt'.Possehatte sie für die Graphische Sammlung desFührermuseums vorgesehen (s.Schwarz (2014), S. 127-128;Juzwenko/Mirecki (2004)).
- 4Der Krasiński-Palast, ein Barockschloss inWarschau, wurde für die Magnatenfamilie Krasiński erbaut. Im Schloss befand sich die Kunstsammlung der Familie, u. a. mit Werken vonAlbrecht Dürer,RembrandtundPeter Paul Rubens. 1927 wurden die Bibliothek und die Kunstsammlung der Familie in ein eigens errichtetes Museumsgebäude transferiert. Teile der Bestände wurden bei Bombenangriffen durch deutsche Truppen im September 1939 zerstört (s.Ajewski (2004), Englische Zusammenfassung).
- 5Gemeint ist die Sammlung der Magnatenfamilie Zamoyski, die sich im Blauen Palast inWarschaubefand. Sie umfasste neben einer umfangreichen Bibliothek des Majorats der Zamoyskis auch eine Kunstsammlung. Während der deutschen Luftangriffe im September 1939 wurden große Teile der Sammlung zerstört (s.Makowski (2013)).
- 6Gemeint ist die Sammlung der Familie Przeździecki, die eine umfangreiche Bibliothek sowie eine Kunstsammlung umfasste. Während der deutschen Luftangriffe wurde der Palast der Familie von einer Bombe getroffen. Infolgedessen brannte der Palast aus und ein Großteil der Sammlung wurde zerstört (s.Ajewski (2004), Englische Zusammenfassung).