Erstes Reisetagebuch
5. Juli 39.München
930– 120Bilderzusammen-
½ 15 – 170. Rücksprache
mitDr. Hansen.Archi-
In d Pinakothek3. –
bei Böhler4.
abds5tel. Tel. mit Dresden6u. Berlin7
(beiDr. Hansen)
Mit ihm u. seinemBruder
Mittagessen. DannStaats-
galerie, nochmals Führerhaus
(Reger). Bei Prof. Tischler11.
Im Hotel. Von dort zu
Prof. Fick(Linzer Bauten)12
Fietz14(?)
Auf der Gauleitung u. im
Dr. Kerschner). Abds16mit K.17
- 1Gemeint ist das für Linzgeplante sogenannteFührermuseum.Possestellte im Führerbau inMünchenden Grundstock für die Gemäldegalerie desFührermuseums aus einem Konvolut zusammen, das Hitlerim Jahr zuvor persönlich zusammengetragen hatte (s.Schwarz (2011), S. 250-255).
- 2Der ArchitektHans Regerwar als Mitarbeiter des BürosPaul Ludwig Troost, das den Führerbau errichtet hatte und nach dem TodTroostsim Jahr 1934 von seiner WitweGerdy Troostweitergeführt wurde, für das Gebäude zuständig und verwaltete das dortige Kunstdepot.
- 3Entweder ist die Alte Pinakothekoder die Neue Pinakothek gemeint.
- 4Als Firma ist dieKunsthandlung Julius Böhler inMünchen gemeint, als Person vermutlich Julius Harry Böhler. Das Stammhaus derKunsthandlungin der Brienner Str. 25 war vom Führerbau in wenigen Minuten zu erreichen. DieKunsthandlungwurde ein wichtiger Geschäftspartner fürPossesAnkäufe für dasFührermuseum.
- 5abends
- 6Gemeint ist nicht die StadtDresden, sondern ein unbekannter Gesprächspartner.
- 7Possetelefonierte inBerlin, wie die folgende Abkürzung bezeugt, mitKarl Haberstock.
- 8Der Berliner KunsthändlerKarl HaberstockhatteHitlerim Jahr zuvor Meisterwerke für das geplanteFührermuseuminLinzgeliefert (s.Schwarz, Birgit (2014), S. 29-38).
- 9Datumsangabe: 6. Juli 1939
- 10Gemeint ist hier der repräsentative Führerbau fürAdolf Hitlerin der Arcisstraße 12 inMünchen. Er wurde von 1933 bis 1937 nach den Plänen vonPaul Ludwig Troosterrichtet und beherbergt heute dieHochschule für Musik und Theater.
- 11evtl.Robert Tischler
- 12Als 'Reichsbaurat für die StadtLinz an der Donau' warRoderich Fick ab 1939 für den repräsentativen architektonischen Ausbau der 'Jugendstadt des Führers' zuständig. Im Rahmen dessen war er auch mit dem Entwurf desFührermuseumsbetraut.Posseließ sich vermutlich inFicks Münchner Büro die Planskizzen für den zukünftigen Museumsbau vorführen. Im August sendeteFickKopien der Pläne anPosse(s.BArch, B 323/115, Nr. 44, Fick an Posse, 14.08.1939;BArch, B 323/115, Nr. 43, Posse an Fick, 24.08.1939; zum Führermuseum s.Schmitt-Imkamp (2014), S. 169-171).
- 13evtl.Robert Tischler
- 14Es dürfte sich um den Münchner Schauspieler und RegisseurHans Fitzhandeln.Fitzwar mitErnst Buchnerbefreundet und begleitete diesen beim dem vonHitlerangeordneten Transfer des Genter Altars der BrüderJanundHubert van Eyck aus Frankreich nach Schloss Neuschwanstein (s. "E. B. (Ernst Buchner), Ghent Altarpiece", in: Rousseau, Theodore Jr., Office of Strategic Services, Art Looting Investigation Unit, Detailed Interrogation Reports (DIR) No. 2, 31. Juli 1945, Subject: Ernst Buchner, Att. E.).
- 15Datumsangabe: 7. Juli 1939
- 16Abends
- 17vermutlichTheodor Kerschner
Bilder Skizzen,Palko Kremser Schmid
Altomonte2
Vitrine:
kleine Holzgruppe aus
Eggelsberg1481 dat.3
4 große Tafeln.
Große Holzfigur:hl. Christo-
2 Bildnisse auf Holz
kl.5Holzfigurhl. Katharina
Oberösterr.6 um 1400
- 1Possezog in Betracht, einige Kunstwerke aus demOberösterreichischen Landesmuseumin dasFührermuseumzu übernehmen (s. BArch, B 323/229, Hans Posse, Bericht über die Landesmuseen der Ostmark, I. Das oberösterreichische Landesmuseum Linz (Donau), abgedruckt in: Schwarz (2018), S. 204-210, hier S. 204-205). Auf dieser und der folgenden Seite machte er sich Notizen zu vermutlich denjenigen Kunstwerken, an deren Übernahme er interessiert war.
- 2Gemeint sind die KünstlerMartinound/oder Bartolomeo Altomonte. Von beiden befanden bzw. befinden sich Werke in der Sammlung (s. weitereEinträge vom 08.07.1939 (0008)und(0011)).
- 3datiert
- 4Anfang 16. Jahrhundert
- 5kleine
- 6Oberösterreich
Holztafel oberöst.11500
kl. Barockfig. im Schrank
Große Tafel.Kreuzigg
Donauschule um 1500
Holztafel
("schöne Madonna")
um 1400. Salzburgisch
Gemäldesammlung
1353 Kremser Schmidt
- 1oberösterreichisch
- 2Die Nummer 61 bezieht sich auf einen Katalog der Gemäldesammlung von 1929 (s. Oberösterreichische Landesgalerie (1929), S. 22: "Franz Anton Palko (Geb. zu Breslau, gest. zu Wien 1760). 61. Martyrium der hl. Barbara, Skizze zu dem Altarblatt in der Barbarakapelle der Pfarrkirche in Krems"; s. auchHeinzl (1979), S. 115). Demnach handelt es sich um eine Ölskizze, die beim Erwerb durch dasLandesmuseum Franz Anton Palkozugeschrieben wurde, wahrscheinlich aber vonFranz Anton Maulbertschstammt.
- 3Die Nummer 135 bezieht sich auf einen Katalog der Gemäldesammlung von 1929 (s.Oberösterreichische Landesgalerie (1929), S. 48: "Johann Martin Schmidt, genannt der 'Kremser Schmidt' (Geb. in Grafenwörth bei Krems 1718, gest. in Stein bei Krems 1801). 135. Kreuzigung Christi"; s. auchHeinzl (1979), S. 114).
- 4Die Nummer 122 bezieht sich auf einen Katalog der Gemäldesammlung von 1929 (s.Oberösterreichische Landesgalerie (1929), S. 45: "Martin Altomonte (Geb. zu Neapel 1657, gest. im Stifte Heiligenkreuz 1745. Seit 1720 in Linz). 122. Markgraf Leopold gründet Klosterneuburg. Skizze zu dem Altarbild in der Minoritenkirche in Wien"; s. auchHeinzl (1979), S. 113).
DerFührerwendet sich
(auf meine Schilderung der
österr.1Verhältnisse u. der
anWienvon den Gauen ge
stellten Forderungen an den
Wiener Kunstbesitz) dagegen,
daß deralte historisch ent-
standene Kunstbesitzirgend
wie geschmälert werde. Er
hat mir späterhin nochmals
ausdrücklich bestätigt, daß
der Wiener Kunstbesitz so
wie er ist erhalten bleiben
müsse (Ambraser Sammlung)2
"Die großen Sammlungen haben
ihren eigenen hist.3gewordenen
Charakter u. dürfen nicht be-
raubt werden".4
Etwas anderes ist es mit
dem beschlagnahmtenReichs-
besitz.5Dieser müsse der
österr.6 Provinz, in 1. Linie
Linz7 zugute kommen.
Er habe auch eine Ver-
ordnung dagegen erlassen, daß
- 1österreichischen
- 2Es handelt sich um eine Sammlung von Waffen, Rüstungen, Gemälden, Skulpturen, illuminierten Handschriften und Kuriositäten, dieErzherzog Ferdinand II. von Tirol imSchloss AmbrasbeiInnsbruckanlegte. Diese wurde ab 1665 sukzessive nach Wientransferiert. Der Reichsgau Tirol forderte die Rückführung der berühmten Ambraser Sammlung, die aus Tirol nachWienverkauft worden war und einen Grundstock der Sammlung desKunsthistorischen Museumsbildet (s.Schwarz (2018), S. 42).
- 3historisch
- 4Hitlerwendete sich gegen die Bestrebungen der österreichischen Gauleiter, auf die Bestände der ehemaligen österreichischen Staatsmuseen inWienzuzugreifen. Er gab hier eine Art Bestandsgarantie vor allem für dasKunsthistorische MuseuminWien (s.Schwarz (2018), S. 82-84 und passim). Da es sich um eine ganz grundsätzliche Entscheidung handelte, zitiertePosse Hitlerhier direkt.
- 5Damit meinteHitlerdie beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen, auf die er allerdings erst zugriff, nachdem diese vom NS-Regime eingezogen und damit in Reichsbesitz übergegangen waren.
- 6österreichischen
- 7Hitlermeinte hier dasOberösterreichische Landesmuseumund dasFührermuseum.
vonvomKarlsbadmit Auto
auf der Fahrt nachStarn-
kommen ist. Treffesie
im Continental.2
220nachDresdenzurück.
Berlin28. Sept. 39
Schall-Riaucour(Verwandter
Lobkowitz (Raudnitz)
Darf ich Sie bitten, HerrnK.H.3
der mirseit1 Zeichen [durchgestrichen] Jahrzehntenbes.4 gut bekannt ist
freundlichst empfangen zu
wollen.5
Dolychaeus-Fund (Wien)
insLandesmuseum Linz1 Zeichen [durchgestrichen] ?8
Kurfürstenstr 59
2
- 1Der inAugsburggebürtige KunsthändlerKarl Haberstockbesaß eine Ferienresidenz inFeldafingam Starnberger See.
- 2Possetraf sich mitMagdalene Haberstockim ehemaligen Grand Hotel Continental, Max-Joseph-Straße 5, vermutlich zum Abendessen.
- 3vermutlich Karl Haberstock.
- 4besonders
- 5Possenotierte sich hier vermutlich den Entwurf für ein Anschreiben, in dem er einen Verwandten desRaudnitzerZweiges der Familie Lobkowitz/Schall-Riaucour bat,Haberstockzu empfangen.
- 6Gemeint ist das Gemälde "Urteil des Paris" vonMax Klinger(s.Eintrag vom 11.07.1939).
- 7Es ging um den Ankauf des Gemäldes "Die Malkunst" vonJan Vermeer für dasFührermuseum, das heute vomKunsthistorischen Museum Wien verwahrt wird. Der Ankauf wurde vonPosse1940 getätigt (s.Hehenberger/Löcher (2013)).
- 8Im März 1937 war inMauer an der Urlim Bezirk Amstetten das Inventar eines Jupiter Dolichenus-Tempels aus dem späten 3. Jahrhundert ausgegraben worden. Die mehr als 100 Fundstücke wurden an dasKunsthistorische Museumgegeben (s.Haupt (1995), S. 26). Offenbar diskutiertePossemitHitler, ob die Fundstücke insLandesmuseum Linzgegeben werden sollten.
- 9Possenotierte sich die neue Adresse des KunsthändlersKarl Haberstock, der 1939 die Villa in der Kurfürstenstraße 59 kaufte und dort sein Geschäft wie auch seinen Wohnsitz hatte.
St. Floriankirche1 (3 (4) Tafeln
vonH. v. Kulmbachvon
ehemaligemJohannisaltar
(eine Tafel seit 1925 (?) beim
Restaurator)2
Städt.3Sammlung:Museum Naro- / dowe/ (Abteilg4/ in Villa)
Private Stiftung an die
Stadt. Nichts Gutes.
hübscheskleines Damen-
28. Nov. 39.
Ausser kunstgewerbl.6 Sachen
unter den Bildern nichts
- 1Gemeint ist die Floriansbasilika (Bazylika św. Floriana), auch Florianikirche genannt, inKrakau.
- 2In der Floriansbasilika befanden sich zum Zeitpunkt vonPossesBesuch eingebaut in einem neugotischen Seitenaltar drei Tafeln des ehemaligenSt.-Johannes-AltarsvonHans von Kulmbachaus dem Jahr 1516. Eine vierte Tafel war lautPossebeim Restaurator. Von wem die Information stammte, dass sich die Tafel seit 1925 beim Restaurator befand, bleibt unklar, ist aber symptomatisch für den generellen Vorwurf der deutschen Besatzer, dass Polen das deutsche Kulturgut häufig durch unfachmännisches Restaurieren geschädigt habe. So heißt es im vonKaj Mühlmannim Auftrag des GeneralgouverneursHans Frankerstellten Verzeichnis der beschlagnahmten Kunstwerke "Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement", die Tafeln seien "in der Malschicht z. T. sehr zerstört und teilweise beschnitten. Die Restaurierung der letzten 16 Jahre brachte arge Entstellungen" (s.National Archives, Ardelia Hall Collection: Wiesbaden Administrative Records, "Sichergestellte Kunstwerke im Generalgouvernement", 24 a-d).
- 3Städtische
- 4Abteilung
- 5DasEmmerich-Hutten-Czapski-MuseuminKrakau, ul. Piłsudskiego 12, eine Abteilung desNationalmuseums, war eine private Stiftung an die Stadt, deren Sammlungskern die Münzsammlung desGrafen Emeryk Hutten-Czapskibildet. Das negative UrteilPossesbezog sich auf die Gemäldebestände.
- 6kunstgewerblichen
- 7Possemeinte die Hauptwerke derCzartoryski-Sammlung "Porträt eines jungen Mannes" vonRaffael, "Dame mit dem Hermelin" vonLeonardo da Vinciund "Landschaft mit dem barmherzigen Samariter"vonRembrandt. Er kannte die Gemälde sehr gut, da die Czartoryski-Sammlungim Ersten Weltkrieg von den Besitzern zu ihrem Schutz in die GemäldegalerieinDresdenausgelagert worden war. Zum Zeitpunkt vonPossesPolenreise waren die drei Werke inBerlin 'sichergestellt'. Später gelangten sie jedoch wieder - vermutlich infolge der BeschlagnahmeverordnungHans Franksvom 16. Dezember 1939 - zurück nachKrakau, wo sie 1940 beschlagnahmt wurden (s.Schwarz (2014), S. 119).
Wien III.Rennweg 6
Kammergartenstöckl.2
U 144043
Chefarzt. Deutsches
Krankenhaus
KrakauRobert Koch
St. 37
sonstBerlin NO 55
Hufelandstr 114
2. Weihnachtsfeiertag
// ½ 120 Oberbürgermeister
Ratskeller, Matthaes5,Rössler6
usw.
8
- 1Staatssekretär
- 2Kaj Mühlmannwohnte seit 1939 im Kammergartenstöckl, einem kleinen Haus im Gartenparterre des Unteren Belvedere, Rennweg 6(a).
- 3Vermutlich handelt es sich um die Telefonnummer.
- 4Eitel-Friedrich Rissmannwar leitender Arzt am Deutschen Distriktskrankenhaus inKrakauin der Robert Koch-Straße 37.
- 5Vermutlich handelt es sich umJohannes Matthaes, den Gastwirt des Neuen Ratskellers.
- 6Im Ratskeller des Neuen Rathauses in der Kreuzstraße 8 inDresdentraf sichPosseregelmäßig mit Akademieprofessoren und Honoratioren der Stadt zu einem Stammtisch (s.Rudert (2015), S. 67). Am Zweiten Weihnachtsfeiertag 1939 traf er sich zum Mittagessen u. a. mit dem ehemaligen Dresdner OberbürgermeisterErnst Zörner, dem Maler Paul Rößler, der den Neuen Ratskeller 1910 ausgemalt hatte, und vermutlich dem Wirt des Ratskellers, Johannes Matthaes (s.DKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch, Eintrag vom 26.12.1939). Kurz zuvor hattePosse Zörner, der inzwischen Oberbürgermeister vonKrakaugeworden war, inKrakaugetroffen.