16.10.1940: München (0045) (DKA, NL Posse, Hans, I,B-4)
16.10.1940: München (0045) (DKA, NL Posse, Hans, I,B-4)
Mittwoch 16. Oktober ½ 11 (mit
Verspätung in München. Ins Hotel,
von dort sofort in den Führerbau,
Reichsleiter Bormann. Mit
Arch.1 Reger Durchsicht der durch
Prof. Hoffmann neu aus Holland
gekommenen Bilder.2 – Bei
Buchner (sog.3 Ghirandajo – Reining-
haus)4 – Bei Böhler (Dr. Sauer-
mann). – Mittag im Hotel. 1545
im Führerbau. Ca. 160 Uhr der Führer –
Durchsicht der Bilder.5 – 170 bei
Buchner. Mit diesem zu Bern-
heimer.6 190 Hbst. ruft telef.7
aus Berlin anab..
/ Ghirlandajo (?)8 , Madonna mit
(Reininghaus)9 100 000 RM
/ Berckheyde de Boer sollen
gekauft werden 89000
Buchner soll Schackgalerie für F.10 reserviern11
Bericht über Preise an Rchsl.13 Bormann14
Bernheimer Angelegenheit Dr.
- 1Architekt
- 2Es handelte sich bei den angebotenen Bildern vermutlich um weitere Restbestände der Kunsthandlung Goudstikker/Miedl, wie sie Posse schon am 4. September 1940 in der Reichskanzlei in Berlin angesehen hatte (s. Einträge vom 04.09.1940: Seiten 0007, 0008, 0009 und 0010).
- 3sogenannter
- 4Posse besprach mit Ernst Buchner den Ankauf des Gemäldes "Maria mit Kind" aus der Kunstsammlung von Carl Reininghaus für das Führermuseum (s. BArch, B 323/106, Nr. 598, Oertel an Seiberl, 19.10.1940). Buchner, der einen Erwerb für die Alte Pinakothek in Betracht gezogen hatte, zog sich daraufhin aus dem Geschäft zurück.
- 5Posse sah gemeinsam mit Hitler vermutlich die oberhalb erwähnten von Heinrich Hoffmann im Führerbau eingelieferten Bilder aus den Niederlanden an. Es wurde festgelegt, welche angekauft werden sollten (s. BArch, B 323/164, S. 86, Posse an Bormann, 17.10.1940).
- 6Gemeint ist die ehemalige Münchner Kunsthandlung L. Bernheimer von Otto Bernheimer am Lenbachplatz 3. Nach der 'Arisierung' firmierte das Unternehmen als Münchner Kunsthandels-Gesellschaft/Kameradschaft der Künstler München e.V. Dort wurden in München und Bayern beschlagnahmte Kunstwerke aus jüdischem Besitz deponiert (s. Schleusener (2016), 73-76). Posse sah am 16. und 17. Oktober 1940 die Bestände durch und suchte fünf Gemälde für das Führermuseum aus (s. BArch, B 323/137, Nr. 36, Münchner Kunsthandels-Gesellschaft/Kameradschaft der Künstler München e.V. an Posse, 04.11.1940 sowie BArch, B 323/103, Nr. 142, Posse an Bormann, 13.11.1940; zu den fünf Gemälden s. Eintrag vom 15.-17.10.1940; allgemein zur Beschlagnahme jüdischen Kunstbesitzes in München und im 'Altreich' s. Schleusener (2016) und Petropoulos (1999), S. 121-129).
- 7telefonisch
- 8Offenbar stand die Frage im Raum, ob es sich bei dem Künstler des Gemäldes um Domenico Ghirlandaio und nicht um Bastiano Mainardi (s. Eintrag vom 01./02.10.1940) handeln könnte. Dies würde Posses Bereitschaft, den eher hohen Preis von 100.000,- RM zu zahlen, erklären.
- 9Gemeint ist die Kunstsammlung von Carl Reininghaus.
- 10Führer
- 11Vermutlich notierte sich Posse hier eine Weisung Hitlers an Ernst Buchner, welche er diesem mitteilen wollte. Buchner, der die Schackgalerie bereits im Herbst 1939 als provisorischen Aufstellungsort für die Gemäldesammlung des geplanten Führermuseums vorgeschlagen hatte (s. Eintrag vom 10.10.1939), sollte die dortigen Räumlichkeiten für diesen Zweck freihalten, weil Hitler seine Museumssammlung dort "sobald wie möglich" der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Vorgesehen war, dass im Anschluss an die temporäre Nutzung durch Hitler die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen die Schackgalerie als Ausstellungsgebäude nutzen sollten (s. Schwarz (2011), S. 271-272 und S. 354, Anm. 789).
- 12Nach der Besprechung sollte Ernst Buchner Friederike Reininghaus schriftlich davon in Kenntnis setzen, dass Posse bereit war, das Gemälde "Maria mit Kind" für den geforderten Geldbetrag für das Führermuseum zu erwerben: "Gestern bot sich die Gelegenheit, die Fotographie ihres florentiner Madonnenbildes meinem Kollegen Prof. Dr. Hans Posse [...] zu zeigen. Da das Bild für die Linzer Galerie noch wichtiger erscheint als für die alte Pinakothek und da außerdem die Finanzierung des Ankaufes für unsere Sammlung augenblicklich nicht einfach ist, möchte ich die Absicht von Herrn Prof. Posse, das Bild für die Linzer Sammlung zu erwerben, unterstützen. Herr Prof. Dr. Posse hatte gestern Gelegenheit, die Fotografie des Bildes und unseren Briefwechsel dem Führer vorzulegen, der sich für eine Erwerbung des Bildes für Linz lebhaft interessiet zeigte. Mit dem von Ihnen geforderten Preis von RM 100.000.- ist Herr Prof. Posse einverstanden." (s. Brief Buchner an Reininghaus, 17.10.1940, zit. nach Hehenberger (2018), S. 268)
- 13Reichsleiter
- 14Posse hatte sich schon brieflich bei Martin Bormann über die hohen Preise im niederländischen Kunsthandel beschwert (s. Eintrag vom 21.09.1940). Vermutlich ist mit dem "Bericht über Preise" jene Preisliste gemeint, die Posse tags darauf "[a]ls Unterlage für Ankaufsverhandlungen der vom Führer gestern ausgesuchten Gemälde" an Bormann sandte (s. BArch, B 323/164, S. 86, Posse an Bormann, 17.10.1940). Die Liste bezog sich wohl auf die weiter oben erwähnten von Heinrich Hoffmann angebotenen Gemälde aus den Niederlanden. In der Liste führte er elf ausgewählte Gemälde mit anvisiertem Kaufs- sowie vorherigem Angebotspreis auf.
Identifikator
DKA, NL Posse, Hans, I,B-4 (0045)