03.1940: Wien (0063) (DKA, NL Posse, Hans, I,B-3)
Dr. Dworschak:1
Antike o. germ.2 Münzen usw3
Klosterbesitz. Entschei-
anderer beschlagnahmter
Besitz.
Wolf-Museum Eisenstadt5
sowie die anderen
Slgn.6
Abtransport der Kunstwerke8
Bilder!
Dr. Nagler, Kärntnerstr. 47II
Prof. Eichler; Antiken9
- 1Posse notierte sich im Folgenden die Besprechungspunkte für das Treffen mit Fritz Dworschak am 8. März 1940 (s. Seite 0064). Die Durchstreichungen legen nahe, dass alle aufgeführten Punkte besprochen werden konnten.
- 2germanische
- 3Auf der Agenda standen die Entscheidungen Adolf Hitlers beim Treffen mit Posse am 1. Februar 1940 und die Auswahl an beschlagnahmten Münzen und Medaillen für das Führermuseum, für die der Numismatiker Dworschak zuständig war (s. Schwarz (2018), S. 126-128).
- 4Man besprach wohl, dass eine grundsätzliche Entscheidung Hitlers über den kulturellen Besitz der in Österreich beschlagnahmten Klöster eingeholt werden sollte. Posse brachte diesen Antrag nach seiner Wien-Dienstreise bei Martin Bormann vor (s. Seite 0081).
- 5Außerdem ging es um die Kunstsammlung von Sándor Wolf aus Eisenstadt, die in einem Privatmuseum öffentlich zugänglich gewesen und 1939 nach Flucht und Enteignung des Besitzers in das von ihm mitgegründete Burgenländische Landesmuseum integriert worden war. Posse notierte sich hier, dass diese Sammlung wie die übrigen behandelt werden sollte, was bedeutet, dass sie unter 'Führervorbehalt' gestellt und in das Verteilungsprogramm der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen integriert werden sollte. Vermutlich war dies ein Vorschlag von Fritz Dworschak und von dem Bestreben getragen, zugunsten des Kunsthistorischen Museums auf die Bestände zugreifen zu können.
Da Sándor Wolf ehrenamtlicher Konservator der Zentralstelle für Denkmalschutz gewesen war, die seiner Sammlung 1932 einen Inventarband der Österreichischen Kunsttopographie gewidmet hatte (s. Csatkai/Frey (1932)), war die Sammlung unmittelbar nach dem 'Anschluss' Österreichs an das Deutsche Reich unter Denkmalschutz gestellt worden. Unter Einfluss der Denkmalpfleger erstellte Posse einen Verteilungsplan, der die Sammlung in deren Sinne als Ganzes erhielt und sie im Wesentlichen vor Ort, also im damaligen Burgenländischen Landesmuseum, beließ (s. BArch, B 323/117, Nr. 703, Hans Posse: Verteilungsvorschlag für das burgenländische Landschaftsmuseum in Eisenstadt; s. Schwarz (2018), S. 108-111).
- 6Sammlungen
- 7Karl Haberstock begleitete Posse zur Besprechung mit Dworschak (s. Seite 0064).
- 8Posse beabsichtigte, die für das Führermuseum ausgewählten Kunstwerke aus dem Zentraldepot in ein spezifisches "Linz-Depot" transferieren zu lassen, das er in der Orangerie des Belvedere einzurichten gedachte. Gegen den Abtransport aus dem unter seiner Aufsicht stehenden Zentraldepot hatte Fritz Dworschak am 7. Februar 1940 opponiert (s. Schwarz (2018), S. 92). Nun tauschten sie sich eventuell in dieser Angelegenheit aus. Dworschak hatte dabei jedoch das Nachsehen: das Depot in der Orangerie wurde eingerichtet, zudem 1941 ein "Linz-Depot" im Stift Kremsmünster (s. Schwarz (2018), S. 138-139).
- 9Wahrscheinlich ging es um Erwerbungswünsche von Fritz Eichler, dem Direktor der Antikenabteilung des Kunsthistorischen Museums, aus der aufgrund des denkmalbehördlichen Ausfuhrverbotsgesetzes sichergestellten (s. § 4a BGBl. Nr. 80/1923) Sammlung von Paul und Andy Zsolnay. Im Februar 1940 hatte Eichler die Zentralstelle für Denkmalschutz um Fotos denkmalbehördlich sichergestellter antiker Schmuckstücke aus der Sammlung Zsolnay gebeten, aus denen auch Posse einige Stücke für das Führermuseum ausgesucht hatte. Die Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums erwarb schließlich mehrere Objekte aus der Sammlung Zsolnay (u. a. ein "Grabrelief Frau mit Dienerin", s. Beschluss des Kunstrückgabebeirats).
- 10Posse hatte vermutlich vor, sich mit Ludwig Baldass, dem Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, wegen der Affäre um die Raffael zugeschriebene "Madonna di Gaeta" zu besprechen. Die Urheberschaft Raffaels war unter Fachleuten umstritten. Das Gemälde hatte sich bis Februar 1940 zur Untersuchung im Kunsthistorischen Museum befunden, wo Posse es während seines vorangegangenen Wienaufenthalts im Januar 1940 besichtigt und sich anschließend in Übereinstimmung mit Baldass in einem Gutachten gegen eine Urheberschaft Raffaels ausgesprochen hatte (s. Seiten 0037 und 0038). Adolf Hitler hatte in diesem Fall nicht einfach auf das Fachurteil seines Sonderbeauftragten vertraut, sondern hatte das Bild nach Berlin bringen lassen und persönlich in Augenschein genommen, um dann beim Doerner Institut in München ein "abschließende[s] Gutachten über die Frage der Echtheit des Bildes" in Auftrag zu geben (s. Burmester (2016), S. 412). Das Doerner Institut kam jedoch ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Gemälde kein Original von Raffael sein könne, da es "mindestens 100 Jahre später gemalt" worden sei (s. Burmester (2016), S. 418).