04./05.1940: Berlin (0081) (DKA, NL Posse, Hans, I,B-3)

04./05.1940: Berlin (0081) (DKA, NL Posse, Hans, I,B-3)
DKA_NLPosseHans_IB3-0081.tif

Reichsleiter M. B.1

1. Beschlagnahmungen der Klöster2

2. Unterbringung

der Linzer Kunst-

ggstände.3

3. Slg.4 Prinz Joh. Georg.

4. Antiker Goldschmuck5

5. Reichswirtschaftsminister

u. staatl.6 Ankaufsstelle in

Berlin entscheiden über die

Veräusserung sichergestellten jüdischen Kunst-

besitzes über 1000 RM.

Ermächtigug durch Reichs-

wirtschaftsminister, im Auftrag

des Führers freihändige Erwer-

bungen ohne Hindernisse durch-

führen zu können.7

6. Ambras

7. Zinnsammlg. ?8

8. Schackgalerie9

9. Originalgaben an Dörner-Inst.

10.. Sievers: Nach Pfingsten beginnt

Arbeit im vorgeschlagenen Sinn (Tirol)10

  • 1Im Folgenden notierte sich Posse eventuell im Nachgang seines Berlinaufenthalts vom 8. bis 10. April 1940 Punkte, die er bei seinem nächsten Treffen mit Martin Bormann besprechen wollte bzw. über die er ihn informieren sollte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Posse hier die bei seiner nächsten Berichterstattung bei Bormann in Berlin am 9. Mai 1940 (s. DKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch) abgehandelten Themen vermerkte.
  • 2Es ging um die Beschlagnahmungen der Klöster und Stifte in der 'Ostmark' und den Zugriff auf deren Kunst- und Kulturbesitz, für den Posse den 'Führervorbehalt' einforderte. Er hatte Martin Bormann zuvor im Bericht über seine Dienstreise nach Wien auf die Problematik aufmerksam gemacht: "Während meines diesmaligen Wiener Aufenthaltes hatte ich auch Gelegenheit, die noch vorhandenen Bestände an Kunstwerken des aufgehobenen Klosters Göttweig bei Krems a. d. Donau durchzusehen. Außer der berühmten und höchst wertvollen, auch äußerlich sehenswerten Bibliothek ist dort nichts Bedeutendes an Kunstwerken erhalten. Aber der Fall Göttweig beweist, daß auch im Falle der in letzter Zeit aufgehobenen Klöster der Ostmark eine Erweiterung des Führererlasses auf diese Gebiete dringend notwendig ist.

    Aus St. Lambrecht in Steiermark sind die wichtigsten Gegenstände bereits kurz vor der Machtergreifung als Deckung für Steuerrückstände in das steierische Landesmuseum in Graz verbracht worden. Desgleichen befinden sich die Sammlungen aus Kloster Admont seit 1938 in ihren wichtigsten Teilen im Grazer Landesmuseum. Der wertvolle Kunstbesitz von Stams und Wilten wurde an verschiedenen Stellen in Innsbruck geborgen.

    Wie alle diese Beispiele, zu denen täglich neue hinzukommen können, beweisen, ist die Auffassung über das Eigentumsrecht an dem kulturellen Besitz der vormaligen Klöster noch keineswegs geklärt.

    Es scheint mir deshalb dringend notwendig, daß über die Eigentumsfrage an den Kunstsammlungen, Archiven und Bibliotheken vormaliger Klöster und ihre Verwendung im Interesses des nationalen Kunstbesitzes eine eindeutige Entscheidung getroffen wird. Es dürfte sich (eventuell rückblickend) empfehlen, eine einheitliche Behandlung solcher Fälle wie bei dem beschlagnahmten jüdischen Kunstbesitz zu treffen, der dem Führer die Entscheidung über den Klosterbesitz überläßt. Dadurch würde wohl auch am besten den von den Gaumuseen, Bibliotheken und Archiven geäußerten Wünschen Rechnung getragen. Außerdem gäbe ein solcher Erlaß auch die letzte Gelegenheit durch Inventarisierung und photographische Aufnahmen wertvollstes Kunstgut der Nation zu erfassen" (s. BArch, B 323/103, Nr. 223, Posse an Bormann, 16.03.1940; Schwarz (2018), S. 99-101; zu Kloster Göttweig s. auch Seite 0059).

  • 3Vermutlich sind die Kunstgegenstände gemeint, die für das geplante Führermuseum in Linz vorgesehen waren.
  • 4Sammlung
  • 5Es handelt sich um den antiken Goldschmuck aus der Sammlung von Paul und Andy Zsolnay, der für das Führermuseum vorgesehen war und von dem einige Stücke Adolf Hitler am 20. April 1940 zum Geburtstag überreicht wurden (s. Seite 0030).
  • 6staatliche
  • 7Posse beschwerte sich, dass es beim Ankauf von aufgrund des denkmalbehördlichen Ausfuhrverbotsgesetzes (s. § 4a BGBl. Nr. 80/1923) sichergestellten Kunstgegenständen in Wien Schwierigkeiten mit der Vermögensverkehrstelle gegeben habe (s. BDA-Archiv, RestMat., K. 10, M. 2, fol. 24, Seiberl an Posse, 26.02.1940). Der Grund dafür war, dass über den Ankauf von denkmalbehördlich sichergestelltem jüdischen Kunstbesitz, der über einen Betrag von 1.000,- Reichsmark hinaus ging, Reichswirtschaftsminister Funk und die zentrale Ankaufsstelle in Berlin zu entscheiden hatten. Martin Bormann wies Funk umgehend an, dass Posse "als Beauftragter des Führers für den Ankauf von Kunstgegenständen, die für die Galerien in den neuen Ostgebieten bestimmt sind", zuständig sei und ihm deshalb "beim Ankauf von Gegenständen aus den sichergestellten Sammlungen, z. B. in Wien und in anderen Orten, keine Schwierigkeiten bereitet werden" (s. BArch, B 323/103, Nr. 207, Bormann an Funk, 09.05.1940). Die Zusage vom Reichswirtschaftministerium erfolgte am 25. Mai 1940 (s. BArch, B 323/103, Nr. 198, Landfried an Bormann, 25.05.1940).
  • 8Posse besprach mit Bormann vermutlich, ob eine Zinnsammlung für das Führermuseum angekauft werden sollte. Der Anlass dürfte die Zinnsammlung von Richard Huber gegeben haben, die von Hanna Rohde betreut wurde; Posse sollte sie besichtigen bzw. Informationen darüber einziehen (s. Eintrag vom 08.05.1940). Konrad Hahm, der Direktor des Staatlichen Museum für Deutsche Volkskunde in Berlin, wandte sich am 8. Januar 1941 an Posse mit dem Anliegen, Hitler dafür zu interessieren, die Zinnsammlung Huber für das Volkskundemuseum zu sichern. Nach Zustimmung Hitlers erwarb Posse die Sammlung für 30.000,- Reichsmark; sie ging als "Geschenk des Führers" an das Museum (s. BArch, B 323/101, Nr. 48, 50-52; BArch, B 323/115, 183-189; Erich (1942)).
  • 9Im Herbst 1939 hatte Ernst Buchner die Schackgalerie als provisorischen Aufstellungsort für die Gemäldesammlung des geplanten Führermuseums in Linz vorgeschlagen (s. Eintrag vom 10.10.1939). Am 3. Mai 1940 wurde das Gebäude an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen übergeben (s. Schwarz (2011), S. 271). Hitler ließ sich die Räumlichkeiten jedoch für seine Zwecke freihalten (s. Eintrag vom 16.10.1940).
  • 10Am 10. Februar 1940 hatte Posse Martin Bormann darauf aufmerksam gemacht, dass im Zuge der Umsiedlungsaktion von Südtirolern in das Deutsche Reich "viele wertvolle Werke deutscher Kunst aus Privatbesitz" zum Verkauf in den Kunsthandel gelangten. Es sei nötig, den Verkauf von einem erfahrenen Fachmann überwachen zu lassen, damit die Kunstwerke für deutsche Museen "gerettet" würden. "Es empfiehlt sich wie im Falle der Ostmark, dem Führer ein Vorverkaufsrecht vorzubehalten" (s. BArch, B 323/103, Nr. 237 und 163, Nr. 173, Posse an Bormann, 10.02.1940). Auf diese Initiative Posses hin wurde in der Kulturkommission der Amtlichen Deutschen Ein- und Rückwandererstelle eine Unterabteilung für Kunst eingerichtet, in die Posse aufgenommen wurde (s. Schwarz (2018), S. 96; Petropoulos (1999), S. 150-152). Posse erfuhr von SS-Obersturmbannführer Wolfram Sievers, dass die Kulturkommission bzw. ihre Kunstabteilung nach Pfingsten am 12./13. Mai 1940 die Arbeit aufnehmen sollte (zur Kulturkommission s. auch Seite 0079).