Drittes Reisetagebuch
Ghirlandajo (?) 5412 ?
(Schule)3
- 1Am 4. September 1940 sahPosseRestbestände der SammlungGoudstikker/Miedldurch, die vonHeinrich HoffmannundMaria Almas-Dietrichangeboten wurden (s.BArch, B 323/134, Nr. 9-13). Der renommierte jüdische Kunsthändler Jacques Goudstikker hatte nach der deutschen Besatzung der Niederlandemit seiner Familie die Flucht nach Amerika angetreten, war allerdings während der Schiffspassage tödlich verunglückt. SeineGaleriein derAmsterdamerHeerengracht 458 war durch den KunsthändlerAlois Miedl'arisiert' worden, von demAlmas-DietrichundHoffmanndie Gemälde bezogen, die sieHitleranboten.
- 2Mit der Kategorie I sind diejenigen Werke gemeint, diePossefür dasFührermuseumvorsah (s.Eintrag vom 23./24.07.1941).
- 3Mit "Schule" gemeint ist die Malerschule desDomenico Ghirlandaio, also diejenigen Maler, die im Stil vonGhirlandaioarbeiteten.Possewar also der Ansicht, dass es sich bei dem angebotenen Gemälde nicht um ein eigenhändiges WerkGhirlandaioshandelte, weshalb er ein Fragezeichen hinter den Namen setzte, sondern um ein Werk aus dessen Umkreis.
Am linken Seitenrand befinden sich streng vertikal verlaufend streifenhafte Reste zweier untereinander eingeklebter und nachträglich wieder herausgerissener Blätter. Die auf der Klebeschicht zurückgebliebenen Papierreste verdecken zum Teil die Schrift auf der Reisetagebuchseite darunter.
DazuverdecktLeneéstr.1
12.A.verdecktde Vois,Türke 5501
mehrere Buchstaben, vermutlich "Art"t Palamedes,Gesellschaft 362
3. Kilo3
1 H.4Käse
Gamaschen 1 H Butter
Chokolade. ½ H. Schokolade
Kaffe u Thee 1 Glas Jam5
Slippers 406 1 Wurst
Handschuhe Hoppjes7
'Etschnee'. Cig. Ingwer
Seife Fleur d`Orange8
- 1Nach Durchsicht der Bilder in derReichskanzleigingPossemitMaria Almas-Dietrichin die Lennéstraße, wo noch einige 100 Bilder derselben Provenienz lagerten, die er durchsah, bis er wieder in dieReichskanzleizurück befohlen wurde (s.DKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch, Eintrag vom 04.09.1940).
- 2Rembrandtschule
- 3Es dürfte sich umPossesEinkaufsliste für die Niederlande handeln, denn es sind typisch niederländische Spezialitäten und Kolonialwaren aufgeführt. Vermutlich waren 3 kg erlaubt.
- 4Das "H" in dieser Liste bezeichnetPossesSchreibweise der Sigle ℔ für die Gewichtseinheit Pfund.
- 5niederländisch für "Marmelade"
- 6Vermutlich sind Slippers, also Hausschuhe, in Größe 40 gemeint.
- 7Hopjes sind ein holländische Bonbon-Spezialität.
- 8Fleur d'oranger ist Orangenblütenwasser, das vorwiegend zur Aromatisierung von Süßspeisen und Gebäck verwendet wird.
Clearing: bezahlen die Niederlande?
Es. v. de Velde fl. 12 500
Th. de Keyser 8.500
Jan Bapt. Weenix 5 000
fl. 26000
40 000
Heroische Szene 10 000
Bicci di Lorenz
Lorenzo38 000
ca4340cm hoch
11 br.4
Aert van der Neer,Große Landschaft
mit Jägerstaffage30 000
voll bezeichnet!
- 1Possevermutete, dass es sich bei dem mit "Heroischer Szene" unbestimmten Bildsujet um eine Darstellung von "Rinaldo und Armida" handeln könnte. Er bestimmte die Szene jedoch später korrekt als "Meleager und Atalante" (s.Schwarz (2004), S. 108, 228).
- 2Vermutlich ist das Gemälde "Lezende man" gemeint, das damals als Werk Jan Vermeers van Delft galt und heute einem unbekannten Künstler zugeschrieben wird.
- 3"telegrafisch" oder "telegrafieren"
- 4Gemeint ist ein Werk des MalersBicci di Lorenzo. Es wurde vermutlich nicht angekauft.
Mittwoch 16. Oktober ½ 11 (mit
Verspätung inMünchen. Ins Hotel,
von dort sofort in den Führerbau,
Reichsleiter Bormann. Mit
Arch.1RegerDurchsicht der durch
Prof. Hoffmannneu aus Holland
gekommenen Bilder.2 – Bei
Buchner(sog.3Ghirandajo– Reining-
haus)4– BeiBöhler(Dr. Sauer-
mann). – Mittag im Hotel. 1545
im Führerbau. Ca. 160Uhr derFührer–
Durchsicht der Bilder.5 – 170bei
Buchner. Mit diesem zu Bern-
ausBerlinanab..
(Reininghaus)9100 000 RM
/Berckheydede Boersollen
gekauft werden 89000
BuchnersollSchackgaleriefürF.10reserviern11
Bericht über Preise anRchsl.13Bormann14
Bernheimer Angelegenheit Dr.
- 1Architekt
- 2Es handelte sich bei den angebotenen Bildern vermutlich um weitere Restbestände derKunsthandlung Goudstikker/Miedl, wie siePosseschon am 4. September 1940 in derReichskanzleiinBerlinangesehen hatte (s. Einträge vom 04.09.1940: Seiten 0007,0008,0009und0010).
- 3sogenannter
- 4Possebesprach mitErnst Buchnerden Ankauf des Gemäldes "Maria mit Kind" aus der Kunstsammlung vonCarl Reininghaus für dasFührermuseum(s.BArch, B 323/106, Nr. 598, Oertel an Seiberl, 19.10.1940).Buchner, der einen Erwerb für dieAlte Pinakothek in Betracht gezogen hatte, zog sich daraufhin aus dem Geschäft zurück.
- 5Possesah gemeinsam mitHitlervermutlich die oberhalb erwähnten vonHeinrich Hoffmannim Führerbau eingelieferten Bilder aus den Niederlanden an. Es wurde festgelegt, welche angekauft werden sollten (s. BArch, B 323/164, S. 86, Posse an Bormann, 17.10.1940).
- 6Gemeint ist die ehemalige MünchnerKunsthandlung L. BernheimervonOtto Bernheimeram Lenbachplatz 3. Nach der 'Arisierung' firmierte das Unternehmen alsMünchner Kunsthandels-Gesellschaft/Kameradschaft der Künstler München e.V.Dort wurden inMünchenund Bayern beschlagnahmte Kunstwerke aus jüdischem Besitz deponiert (s.Schleusener (2016), 73-76).Possesah am 16. und 17. Oktober 1940 die Bestände durch und suchte fünf Gemälde für dasFührermuseumaus (s.BArch, B 323/137, Nr. 36, Münchner Kunsthandels-Gesellschaft/Kameradschaft der Künstler München e.V. an Posse, 04.11.1940 sowieBArch, B 323/103, Nr. 142, Posse an Bormann, 13.11.1940; zu den fünf Gemälden s.Eintrag vom 15.-17.10.1940; allgemein zur Beschlagnahme jüdischen Kunstbesitzes in München und im 'Altreich' s.Schleusener (2016)undPetropoulos (1999), S. 121-129).
- 7telefonisch
- 8Offenbar stand die Frage im Raum, ob es sich bei dem Künstler des Gemäldes umDomenico Ghirlandaiound nicht umBastiano Mainardi(s.Eintrag vom 01./02.10.1940) handeln könnte. Dies würdePossesBereitschaft, den eher hohen Preis von 100.000,- RM zu zahlen, erklären.
- 9Gemeint ist die Kunstsammlung vonCarl Reininghaus.
- 10Führer
- 11Vermutlich notierte sichPossehier eine WeisungHitlersan Ernst Buchner, welche er diesem mitteilen wollte.Buchner, der dieSchackgaleriebereits im Herbst 1939 als provisorischen Aufstellungsort für die Gemäldesammlung des geplantenFührermuseumsvorgeschlagen hatte (s.Eintrag vom 10.10.1939), sollte die dortigen Räumlichkeiten für diesen Zweck freihalten, weil Hitlerseine Museumssammlung dort "sobald wie möglich" der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Vorgesehen war, dass im Anschluss an die temporäre Nutzung durchHitlerdieBayerischen StaatsgemäldesammlungendieSchackgalerieals Ausstellungsgebäude nutzen sollten (s.Schwarz (2011), S. 271-272 und S. 354, Anm. 789).
- 12Nach der Besprechung sollteErnst BuchnerFriederike Reininghausschriftlich davon in Kenntnis setzen, dassPossebereit war, das Gemälde "Maria mit Kind" für den geforderten Geldbetrag für dasFührermuseumzu erwerben: "Gestern bot sich die Gelegenheit, die Fotographie ihresflorentiner Madonnenbildesmeinem KollegenProf. Dr. Hans Posse[...] zu zeigen. Da das Bild für die Linzer Galerie noch wichtiger erscheint als für diealte Pinakothekund da außerdem die Finanzierung des Ankaufes für unsere Sammlung augenblicklich nicht einfach ist, möchte ich die Absicht von HerrnProf. Posse, das Bild für die Linzer Sammlung zu erwerben, unterstützen. HerrProf. Dr. Possehatte gestern Gelegenheit, die Fotografie des Bildes und unseren Briefwechsel demFührervorzulegen, der sich für eine Erwerbung des Bildes fürLinzlebhaft interessiet zeigte. Mit dem von Ihnen geforderten Preis von RM 100.000.- ist HerrProf. Posseeinverstanden." (s. Brief Buchner an Reininghaus, 17.10.1940, zit. nachHehenberger (2018), S. 268)
- 13Reichsleiter
- 14Posse hatte sich schon brieflich bei Martin Bormann über die hohen Preise im niederländischen Kunsthandel beschwert (s.Eintrag vom 21.09.1940). Vermutlich ist mit dem "Bericht über Preise" jene Preisliste gemeint, die Posse tags darauf "[a]ls Unterlage für Ankaufsverhandlungen der vom Führer gestern ausgesuchten Gemälde" an Bormann sandte (s. BArch, B 323/164, S. 86, Posse an Bormann, 17.10.1940). Die Liste bezog sich wohl auf die weiter oben erwähnten vonHeinrich Hoffmannangebotenen Gemälde aus den Niederlanden. In der Liste führte er elf ausgewählte Gemälde mit anvisiertem Kaufs- sowie vorherigem Angebotspreis auf.
WaltherKunstverlag,Quattre cheemins
rue de Marignan 191
Gal.Alice Manteau, Rue de
l`abbaye 142
Stora, 32B Boulevard Haussmann3
Dr. Kütjens } ab Mittwoch / vorher anrufenkl. 68100 - / 241 6806
Dr. Bunjes(Kunstschutzbeauftragter
der MiliärverwaltungParis,
Chambre des Deputes7
Sekretariat derBotschaft(Frl. v.
Prince Jurschewitz(durchPer-
doux)
Rue de Wille
Chef des
Chambre des Deputes8
Zimmer 160.
Frl. Falliuer(Sekretärin von
- 1Es handelt sich um die Adresse der zuvor genannten Galerie.
- 2Es handelt sich um die Adresse der zuvor genannten Galerie. Die Kunsthändlerin bot Gemälde vonCarel FabritiusundJoos van Clevean, die jedoch nicht angekauft wurden.
- 3Es handelt sich um die Adresse der zuvor genannten Kunsthandlung.
- 4Sammlung
- 5Gemeint ist die Gemäldesammlung vonAdolphe Schloss.
- 6Eventuell handelt es sich um Telefonnummern oder -durchwahlen.
- 7Gemeint ist das Palais Bourbon an der Pariser Pont de la Concorde, das bis Juni 1940 der Sitz der Abgeordnetenkammer (Chambre des Députés) der Dritten Französischen Republik gewesen und in dem unter den deutschen Besatzern eine Dienststelle der Militärverwaltung vonPariseingerichtet worden war.
- 8Chambre des Députés
Ahrens rue de Lebeau 24
2000 RM.
Vorzimmer v.Craushaar:
PräsidentMitropa
2. OktHbst.i. GanzenRM 500.
Dr.SchlenckerGeneraldirektor
Frl. PfeifferbeiGen.Kom.3Schmidt
Haarlem Keyzersgracht 121
Olgaplein (Geschäft)
neben Lütjens5
Florapark 8 750 000 RM.
- 1Rufnummer [=Telefonnummer]
- 2Eventuell istM. van Geldergemeint.
- 3Generalkommissar
- 4Am 12.10.1940 hattePosseHitler u. a. von der SammlungFranz Koenigsberichtet (s.BArch, B 323/103, Nr. 152, Notizzettel) und zwei Tage späterMartin Bormannschriftlich mitgeteilt, er habe vor, in Holland "unterdes fällig gewordene Angelegenheiten, besonders auch die Sammlung Königs weiter zu verfolgen. Auch möchte ich anderen Leuten, die ebenfalls dort grasen, möglichst zuvorkommen." (s.BArch, B 323/103, Nr. 151, Posse an Bormann, 14.10.1940). Er notierte sich hier zwei Adressen vonFranz Koenigs: die Geschäftsadresse seinerAmsterdamer Bank, Keizersgracht 117-121, und die Privatadresse vonFranzundAnna Koenigs, Florapark 8,Haarlem. Die Preisangabe "750.000 RM" deutet darauf hin, dass es um den Ankauf des Gemäldes "Kleine Kreuzigung" vonMatthias Grünewaldging, das zu diesem Preis angeboten wurde (s.Dekker (2018), S. 61-62).PosseschlugHitlerdie Erwerbung des Gemäldes vor,Hitlerlehnte diese aber ab (s.BArch, B 323/102, Nr. 798, Posse an Bormann, 03.11.1941).
- 5Gemeint ist derAmsterdamsche Kunsthandel Paul Cassirerin der Keizersgracht 109, der vonHelmuth Lütjensgeleitet wurde.
fl. 1250002
Riviersgezicht3u.A. v. d. Neer
- 1Der Preis ist wohlin der damaligen Währung Niederländische Gulden angegeben, auch Holländische Florin genannt.
- 2Der Preis in der damaligen Währung Niederländische Gulden angegeben, auch Holländische Florin genannt.
- 3Übersetzt bedeutet das niederländische Wort "Riviersezicht" in etwa "Flussansicht". Es handelt sich um den Titel des Kunstwerks.