Drittes Reisetagebuch
Am linken Seitenrand befinden sich streng vertikal verlaufend streifenhafte Reste zweier untereinander eingeklebter und nachträglich wieder herausgerissener Blätter. Die auf der Klebeschicht zurückgebliebenen Papierreste verdecken zum Teil die Schrift auf der Reisetagebuchseite darunter.
DazuverdecktLeneéstr.1
12.A.verdecktde Vois,Türke 5501
mehrere Buchstaben, vermutlich "Art"t Palamedes,Gesellschaft 362
3. Kilo3
1 H.4Käse
Gamaschen 1 H Butter
Chokolade. ½ H. Schokolade
Kaffe u Thee 1 Glas Jam5
Slippers 406 1 Wurst
Handschuhe Hoppjes7
'Etschnee'. Cig. Ingwer
Seife Fleur d`Orange8
- 1Nach Durchsicht der Bilder in derReichskanzleigingPossemitMaria Almas-Dietrichin die Lennéstraße, wo noch einige 100 Bilder derselben Provenienz lagerten, die er durchsah, bis er wieder in dieReichskanzleizurück befohlen wurde (s.DKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch, Eintrag vom 04.09.1940).
- 2Rembrandtschule
- 3Es dürfte sich umPossesEinkaufsliste für die Niederlande handeln, denn es sind typisch niederländische Spezialitäten und Kolonialwaren aufgeführt. Vermutlich waren 3 kg erlaubt.
- 4Das "H" in dieser Liste bezeichnetPossesSchreibweise der Sigle ℔ für die Gewichtseinheit Pfund.
- 5niederländisch für "Marmelade"
- 6Vermutlich sind Slippers, also Hausschuhe, in Größe 40 gemeint.
- 7Hopjes sind ein holländische Bonbon-Spezialität.
- 8Fleur d'oranger ist Orangenblütenwasser, das vorwiegend zur Aromatisierung von Süßspeisen und Gebäck verwendet wird.
Clearing: bezahlen die Niederlande?
Es. v. de Velde fl. 12 500
Th. de Keyser 8.500
Jan Bapt. Weenix 5 000
fl. 26000
40 000
Heroische Szene 10 000
Bicci di Lorenz
Lorenzo38 000
ca4340cm hoch
11 br.4
Aert van der Neer,Große Landschaft
mit Jägerstaffage30 000
voll bezeichnet!
- 1Possevermutete, dass es sich bei dem mit "Heroischer Szene" unbestimmten Bildsujet um eine Darstellung von "Rinaldo und Armida" handeln könnte. Er bestimmte die Szene jedoch später korrekt als "Meleager und Atalante" (s.Schwarz (2004), S. 108, 228).
- 2Vermutlich ist das Gemälde "Lezende man" gemeint, das damals als Werk Jan Vermeers van Delft galt und heute einem unbekannten Künstler zugeschrieben wird.
- 3"telegrafisch" oder "telegrafieren"
- 4Gemeint ist ein Werk des MalersBicci di Lorenzo. Es wurde vermutlich nicht angekauft.
GriechischeSilbermünzen- Slg.1Zsolnay2
ca. 5 – 600 RM
315 Nummern
ca 40 Skarabäen (RM 40 - 60)3
Nach Aussage vonHortense Eissler
iststammtderGalasso Galassiaus
der Gegend vonFerrara, Name
des Klosters ist ihr unbekannt4
Lia Madl, Bognergasse
2 Holzreliefs (St. Antonius u.
Hieronymus)ungefasst. um 1490
Preis RM 3 600.5
U 245206
Reichsstatthalterei.
Schroll7
Zykan: Rechnungen
Dr. Wilhelm, Direktor
Mainardi.Reininghaus
- 1Sammlung
- 2Gemeint ist die Kunstsammlung des VerlegersPaul Zsolnay(Zu Person und Sammlung s.Lillie (2003), S. 1356-1364).
- 3Wenige Tage zuvor hatte Herbert Seiberl Posse schriftlich informiert und ihm mitgeteilt, dass die Münzsammlung Zsolnay mit 500,- Reichsmark, die dazugehörigen Skarabäen mit ungefähr 40,- Reichsmark bewertet worden seien.Seiberlbat um die Mitteilung, ob er mit dem Treuhänder in Verhandlungen eintreten solle (s.BDA-Archiv, RestMat., K. 10, M. 4, fol. 34, Seiberl an Posse, 26.09.1940).
- 4DasInstitut für Denkmalpflegehatte Erkundigungen über die Provenienz des Gemäldes vonGalasso Galassibei der Stiefmutter derehemaligen Besitzerineingezogen, aber nur die unbefriedigende Antwort erhalten, dass es aus einem Kloster beiFerrarastamme.
- 5Herbert SeiberlhattePossebrieflich auf zwei Holzreliefs, Teile eines Chorgestühls, hingewiesen, die "anscheinend schwäbischer oder oberrheinischer Herkunft" seien und im Wiener Kunsthandel angeboten wurden (s.BDA-Archiv, RestMat., K. 10, M. 4, fol. 34, Seiberl an Posse, 26.09.1940).Possenotierte sich den Angebotspreis und die Adresse der Antiquitätenhandlung, um diese am folgenden Tag zu besuchen (s.Eintrag vom 02.10.1940 auf der Folgeseite).
- 6Telefonnummer
- 7Vermutlich ist der WienerSchroll-Verlaggemeint, in dem 1942 eine vonPosseverfassteCranach-Monografie erschien (Posse, Hans: Lucas Cranach d. Ä. Wien 1942).
- 8Josef Zykanübergab Posse die Rechnungen vonValerie Eisler(Hans Rottenhammer, "Hl. Sebastian", Federzeichnung;Heinrich Friedrich Füger, drei figurale Studien zu "Caesar", s.Lillie (2003), S. 317) undKloster Heiligenkreuz, woPosseeine Muttergottesstatue aus dem frühen 15. Jahrhundert und einen Bozetto vonGiovanni Giulianierworben hatte.
- 9Possenahm vermutlich wegen desSelbstbildnissesvonRembrandtaus der Sammlung Gutmann, das sich in denSammlungen des Regierenden Fürsten von Liechtensteinbefand, Kontakt mitGustav Franz Wilhelmauf.Wilhelmhatte zudem eine Schätzung über den Wert des Gemäldes erstellt und einen Preis von RM 250.000,- vorgeschlagen (s.BArch, B 323/120, Nr. 64, Steger an Posse, 25.09.1940).
- 10Madonna
- 11mit
- 12Am 2. Oktober 1940 besichtigtePosseim Arbeitszimmer vonLudwig Baldass, dem Leiter derGemäldegaleriedesKunsthistorischen Museumsdas Gemälde "Maria mit Kind" vonBastiano Mainardi, das sich als Leihgabe aus der Nachlassenschaft des Industriellen und KunstsammlersCarl Reininghausdort befand (s.BDA-Archiv, RestMat., K. 10, M. 5, Nr. 19, Posse an Seiberl, 12.11.1940).Friederike Reininghaus, die Witwe vonCarl Reininghaus, versuchte das Gemälde schon seit längerem zu verkaufen.Possewar offenbar vonErnst Buchnerdarauf hingewiesen worden, mit dem er am 16. Oktober 1940 die Erwerbungsangelegenheit besprach (s.Eintrag vom 16.10.1940).
Mittwoch 16. Oktober ½ 11 (mit
Verspätung inMünchen. Ins Hotel,
von dort sofort in den Führerbau,
Reichsleiter Bormann. Mit
Arch.1RegerDurchsicht der durch
Prof. Hoffmannneu aus Holland
gekommenen Bilder.2 – Bei
Buchner(sog.3Ghirandajo– Reining-
haus)4– BeiBöhler(Dr. Sauer-
mann). – Mittag im Hotel. 1545
im Führerbau. Ca. 160Uhr derFührer–
Durchsicht der Bilder.5 – 170bei
Buchner. Mit diesem zu Bern-
ausBerlinanab..
(Reininghaus)9100 000 RM
/Berckheydede Boersollen
gekauft werden 89000
BuchnersollSchackgaleriefürF.10reserviern11
Bericht über Preise anRchsl.13Bormann14
Bernheimer Angelegenheit Dr.
- 1Architekt
- 2Es handelte sich bei den angebotenen Bildern vermutlich um weitere Restbestände derKunsthandlung Goudstikker/Miedl, wie siePosseschon am 4. September 1940 in derReichskanzleiinBerlinangesehen hatte (s. Einträge vom 04.09.1940: Seiten 0007,0008,0009und0010).
- 3sogenannter
- 4Possebesprach mitErnst Buchnerden Ankauf des Gemäldes "Maria mit Kind" aus der Kunstsammlung vonCarl Reininghaus für dasFührermuseum(s.BArch, B 323/106, Nr. 598, Oertel an Seiberl, 19.10.1940).Buchner, der einen Erwerb für dieAlte Pinakothek in Betracht gezogen hatte, zog sich daraufhin aus dem Geschäft zurück.
- 5Possesah gemeinsam mitHitlervermutlich die oberhalb erwähnten vonHeinrich Hoffmannim Führerbau eingelieferten Bilder aus den Niederlanden an. Es wurde festgelegt, welche angekauft werden sollten (s. BArch, B 323/164, S. 86, Posse an Bormann, 17.10.1940).
- 6Gemeint ist die ehemalige MünchnerKunsthandlung L. BernheimervonOtto Bernheimeram Lenbachplatz 3. Nach der 'Arisierung' firmierte das Unternehmen alsMünchner Kunsthandels-Gesellschaft/Kameradschaft der Künstler München e.V.Dort wurden inMünchenund Bayern beschlagnahmte Kunstwerke aus jüdischem Besitz deponiert (s.Schleusener (2016), 73-76).Possesah am 16. und 17. Oktober 1940 die Bestände durch und suchte fünf Gemälde für dasFührermuseumaus (s.BArch, B 323/137, Nr. 36, Münchner Kunsthandels-Gesellschaft/Kameradschaft der Künstler München e.V. an Posse, 04.11.1940 sowieBArch, B 323/103, Nr. 142, Posse an Bormann, 13.11.1940; zu den fünf Gemälden s.Eintrag vom 15.-17.10.1940; allgemein zur Beschlagnahme jüdischen Kunstbesitzes in München und im 'Altreich' s.Schleusener (2016)undPetropoulos (1999), S. 121-129).
- 7telefonisch
- 8Offenbar stand die Frage im Raum, ob es sich bei dem Künstler des Gemäldes umDomenico Ghirlandaiound nicht umBastiano Mainardi(s.Eintrag vom 01./02.10.1940) handeln könnte. Dies würdePossesBereitschaft, den eher hohen Preis von 100.000,- RM zu zahlen, erklären.
- 9Gemeint ist die Kunstsammlung vonCarl Reininghaus.
- 10Führer
- 11Vermutlich notierte sichPossehier eine WeisungHitlersan Ernst Buchner, welche er diesem mitteilen wollte.Buchner, der dieSchackgaleriebereits im Herbst 1939 als provisorischen Aufstellungsort für die Gemäldesammlung des geplantenFührermuseumsvorgeschlagen hatte (s.Eintrag vom 10.10.1939), sollte die dortigen Räumlichkeiten für diesen Zweck freihalten, weil Hitlerseine Museumssammlung dort "sobald wie möglich" der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Vorgesehen war, dass im Anschluss an die temporäre Nutzung durchHitlerdieBayerischen StaatsgemäldesammlungendieSchackgalerieals Ausstellungsgebäude nutzen sollten (s.Schwarz (2011), S. 271-272 und S. 354, Anm. 789).
- 12Nach der Besprechung sollteErnst BuchnerFriederike Reininghausschriftlich davon in Kenntnis setzen, dassPossebereit war, das Gemälde "Maria mit Kind" für den geforderten Geldbetrag für dasFührermuseumzu erwerben: "Gestern bot sich die Gelegenheit, die Fotographie ihresflorentiner Madonnenbildesmeinem KollegenProf. Dr. Hans Posse[...] zu zeigen. Da das Bild für die Linzer Galerie noch wichtiger erscheint als für diealte Pinakothekund da außerdem die Finanzierung des Ankaufes für unsere Sammlung augenblicklich nicht einfach ist, möchte ich die Absicht von HerrnProf. Posse, das Bild für die Linzer Sammlung zu erwerben, unterstützen. HerrProf. Dr. Possehatte gestern Gelegenheit, die Fotografie des Bildes und unseren Briefwechsel demFührervorzulegen, der sich für eine Erwerbung des Bildes fürLinzlebhaft interessiet zeigte. Mit dem von Ihnen geforderten Preis von RM 100.000.- ist HerrProf. Posseeinverstanden." (s. Brief Buchner an Reininghaus, 17.10.1940, zit. nachHehenberger (2018), S. 268)
- 13Reichsleiter
- 14Posse hatte sich schon brieflich bei Martin Bormann über die hohen Preise im niederländischen Kunsthandel beschwert (s.Eintrag vom 21.09.1940). Vermutlich ist mit dem "Bericht über Preise" jene Preisliste gemeint, die Posse tags darauf "[a]ls Unterlage für Ankaufsverhandlungen der vom Führer gestern ausgesuchten Gemälde" an Bormann sandte (s. BArch, B 323/164, S. 86, Posse an Bormann, 17.10.1940). Die Liste bezog sich wohl auf die weiter oben erwähnten vonHeinrich Hoffmannangebotenen Gemälde aus den Niederlanden. In der Liste führte er elf ausgewählte Gemälde mit anvisiertem Kaufs- sowie vorherigem Angebotspreis auf.
Rue de l'Abbaye 141
(Fabritius, Cleve)2
Birtschansky, 88 Faubourg
St. Honorée3
(Jansen, Baalen)4
32 B Boulevard Haussmann5
Feldmarschall
Adolphe Schloss.7
Dr. BestMinisterialdirektor Ritz8
Dr. Kütgens! Botschaft An- / häufung von / Kunstwerken).9
Sachbearbeiter f.
Kunstschutz
Zimmer 53610
[Willis]11
Oberster Befehlshaber des Heers
Chef der Militärverwaltung
in Frankreich (Gen.12Streccius)
Hotel Majestic13
Tel 553 KLE
6 80014
- 1Es handelt sich um die Adresse der zuvor genannten Galerie:Paris, 14 Rue de l'Abbaye.
- 2Die KunsthändlerinAlice ManteaubotPossewohl Gemälde vonCarel FabritiusundJoos van Clevean, die jedoch nicht angekauft wurden.
- 3Es handelt sich um die Adresse des zuvor genannten Kunsthändlers:Paris, 88 Rue du Faubourg Saint-Honoré, gegenüber dem Palais de l'Élysée, dem französischen Regierungssitz.
- 4Wahrscheinlich sind die KünstlerPieter JansonundHendrik van Balengemeint, von denen der KunsthändlerZacharie BirtschanskyPosseGemälde anbot, die jedoch nicht angekauft wurden.
- 5Es handelt sich um Adresse der zuvor genannten Kunsthandlung:Paris, 32 B Boulevard Haussmann.
- 6Beim Westfeldzug 1940 kommandierteWalter von Reichenauals Generaloberst die 6. Armee der Wehrmacht. Nach dem Sieg über Frankreich war er am 19. Juli 1940 zum Generalfeldmarschall ernannt worden.
- 7Vermutlich hattePossevor, nach dem Verbleib der Kunstsammlung Adolphe Schloss zu forschen (s. auchEintrag vom Oktober 1940).
- 8Posseübernachtete im Pariser Hôtel Ritz am Place Vendôme 15 (s.Eintrag auf der folgenden Seite).
- 9In derDeutschen BotschaftinPariswurden die beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen gelagert, für dieFelix Kuetgensals Oberkriegsverwaltungsrat des Referats Kunstschutz beim Militärbefehlshaber in Frankreich zuständig war. Aufgrund der stetig wachsenden Anzahl der Objekte reichten diese Räumlichkeiten nicht mehr aus.
- 10Vermutlich handelt es sich um die Zimmernummer vonKuetgens' Büro im Pariser Hôtel Majestic (s. u.).
- 11Eventuell handelt es sich umFrederick C. Willis, der sich im September 1939 wegen einer Arbeitsstelle anPossegewendet hatte (s.BArch, B 323/122, Nr. 870, Willis an Posse, 17.09.1939).
- 12General
- 13In diesem Pariser Luxushotel in der 19 Avenue Kléber befanden sich von 1940 bis 1944 das Hauptquartier des Militärbefehlshabers in Frankreich und dessen zentrale Abteilungen.
- 14Die alten Telefonnummern in Frankreich bestanden aus einer alphanumerischen Kombination. InParissetze sich diese aus drei Teilen zusammen: zuerst eine meist von Orts- oder Personennamen abgeleitete Buchstabenkombination für einen bestimmten Teilbereich der Stadt, dann eine dreistellige Nummernkombination für die zuständige Telefonzentrale bzw. die Bezirksvorwahl und abschließend ein in der Regel vierstelliger Nummerncode für den jeweiligen Teilnehmeranschluss. "553" ist die Bezirksvorwahl, "KLE" bezieht sich auf die nachJean-Baptiste Kléberbenannte Avenue Kléber, in der sich das Hauptquartier des Militärbefehlshabers Frankreich befand, die übrigen Ziffern bestimmen den Endanschluss.
fl. 1250002
Riviersgezicht3u.A. v. d. Neer
- 1Der Preis ist wohlin der damaligen Währung Niederländische Gulden angegeben, auch Holländische Florin genannt.
- 2Der Preis in der damaligen Währung Niederländische Gulden angegeben, auch Holländische Florin genannt.
- 3Übersetzt bedeutet das niederländische Wort "Riviersezicht" in etwa "Flussansicht". Es handelt sich um den Titel des Kunstwerks.