Zweites Reisetagebuch
Wolken! Kein Künstler kopiert
sich zum 2. Mal Tot.Hier helfen
keine kunsthist. Konstruktionen1
BeiProf. v. BaldassimKh. Museum
zu Restauriergszwecken deponiert.2
1. Febr.340U.4HauptbahnhofDresden
Zug 170 Min. Verspätung
dann 270. Schliessl.5Ankunft
¾ 90AnkunftBerlin124045
¾ 13 im Kaiserhof6.¾ 6
Tel. mitDr. H.¾ 16 Adjt.7Borm.
tel.
180beimFührerbis
1915allesin Ggwart8Bormannsdurchgesprochen
alle Fotos durchgesehen.
etc. 200Abendbrot.
PilotenBaueru ..?.,Prof. Morell,Prof.
Hofmannusw.) ½ 10 ver-
abschiedet sich derFührer.
MitBormannzusammen
ins Hotel zurück
36
- 1Bei diesem Abschnitt handelt es sich um dieFortsetzungder NotizenPossesfür das von ihm angeforderte Gutachten über die "Madonna di Gaeta", ein angebliches OriginalwerkRaffaels, das sich seit Juni 1939 imKunsthistorischen MuseuminWienbefand und für eine Million Reichsmark zum Verkauf stand (s.BArch, B 323/163, Bormann an Hanssen, handschriftlich, 27.01.1940). In seinem Bericht sprach sichPossedeutlich gegen eine UrheberschaftRaffaelsaus und riet von einem Kauf ab (s.BArch, B 323/163, Posse an Hanssen, 29.01.1940 sowie Posses Gutachten vom 29.01.1940).
- 2Die "Madonna di Gaeta" befand sich seit 1937 beiLudwig Baldassbzw. in den Räumlichkeiten des Kunsthistorischen MuseumsinWien.
- 3Am Vorabend, dem 31. Januar 1940 um 18:30 Uhr, hattePossetelefonisch die Order vonHanssenaus dem Verbindungsstab erreicht, am Tag darauf bis spätestens 12:00 Uhr inBerlinzu sein (s.DKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch), um demFührerpersönlich Bericht zu erstatten über den aktuellen Stand desFührermuseum-Projekts und die Ergebnisse seiner eben erst abgeschlosseneWien-Reise. Da der Frühzug etwa fünf Stunden Verspätung hatte, kamPosseerst um ca. 12:45 Uhr inBerlinan. Im Hotel Kaiserhof wartete er, bis ihnBormanngegen 17:45 Uhr für den Vortrag beiHitlerin der Reichskanzlei abholte (s.DKA, NL Posse, Hans, I,B-1, Diensttagebuch). Auf den folgenden Seiten hieltPossedie Ergebnisse der Besprechung fest (s. Seiten0040,0041,0042und0043)
- 4Uhr
- 5Schließlich
- 6Berlinserstes Luxushotel, das Hotel Kaiserhof am Wilhelmplatz 3-5, das der Reichskanzlei gegenüber lag, war ab 1873 erbaut und 1875 eröffnet worden. 1932 zogAdolf Hitlerin dieses Hotel ein, koordinierte von dort aus seinen Wahlkampf und somit wurde das gesamte obere Stockwerk als provisorische Parteizentrale der NSDAP genutzt.Possepflegte während seinerBerlinaufenthalte dort zu übernachten. Das Hotel wurde 1943 bei einem Bombenangriff schwer beschädigt und schließlich abgerissen. (s.Informationen und Dokumente auf www.potsdamer-platz.org)
- 7Adjutant
- 8Gegenwart
- 9Gemeint ist die unter 'Führervorbehalt' durchgeführte Verteilung von beschlagnahmten und aufgrund des denkmalbehördlichen Ausfuhrverbotsgesetzes (s. § 4a BGBl.Nr. 80/1923) sichergestellten Kunstwerken auf die Museen der 'Ostmark' (s.Schwarz (2018)).
Dr.Dworschak:1 Antike o. germ.2 Münzen usw3
Klosterbesitz. Entschei-
anderer beschlagnahmter
Besitz.
Wolf-MuseumEisenstadt5
sowie die anderen
Slgn.6
Abtransport der Kunstwerke8
Bilder!
Dr. Nagler, Kärntnerstr. 47II
Prof. Eichler; Antiken9
- 1Possenotierte sich im Folgenden die Besprechungspunkte für das Treffen mitFritz Dworschak am 8. März 1940 (s.Seite 0064). Die Durchstreichungen legen nahe, dass alle aufgeführten Punkte besprochen werden konnten.
- 2germanische
- 3Auf der Agenda standen die EntscheidungenAdolf Hitlersbeim Treffen mitPosseam 1. Februar 1940 und die Auswahl an beschlagnahmten Münzen und Medaillen für dasFührermuseum, für die der NumismatikerDworschakzuständig war (s.Schwarz (2018), S. 126-128).
- 4Man besprach wohl, dass eine grundsätzliche EntscheidungHitlersüber den kulturellen Besitz der in Österreich beschlagnahmten Klöster eingeholt werden sollte.Possebrachte diesen Antrag nach seinerWien-Dienstreise beiMartin Bormannvor (s.Seite 0081).
- 5Außerdem ging es um die Kunstsammlung vonSándor WolfausEisenstadt, die in einem Privatmuseum öffentlich zugänglich gewesen und 1939 nach Flucht und Enteignung des Besitzers in das von ihm mitgegründeteBurgenländische Landesmuseumintegriert worden war.Possenotierte sich hier, dass diese Sammlung wie die übrigen behandelt werden sollte, was bedeutet, dass sie unter 'Führervorbehalt' gestellt und in das Verteilungsprogramm der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen integriert werden sollte. Vermutlich war dies ein Vorschlag vonFritz Dworschakund von dem Bestreben getragen, zugunsten desKunsthistorischen Museumsauf die Bestände zugreifen zu können.
DaSándor Wolfehrenamtlicher Konservator derZentralstelle für Denkmalschutzgewesen war, die seiner Sammlung 1932 einen Inventarband der Österreichischen Kunsttopographie gewidmet hatte (s.Csatkai/Frey (1932)), war die Sammlung unmittelbar nach dem 'Anschluss' Österreichs an das Deutsche Reich unter Denkmalschutz gestellt worden. Unter Einfluss der Denkmalpfleger erstelltePosseeinen Verteilungsplan, der die Sammlung in deren Sinne als Ganzes erhielt und sie im Wesentlichen vor Ort, also im damaligenBurgenländischen Landesmuseum, beließ (s.BArch, B 323/117, Nr. 703, Hans Posse: Verteilungsvorschlag für das burgenländische Landschaftsmuseum in Eisenstadt; s.Schwarz (2018), S. 108-111).
- 6Sammlungen
- 7Karl HaberstockbegleitetePossezur Besprechung mitDworschak(s.Seite 0064).
- 8Possebeabsichtigte, die für dasFührermuseumausgewählten Kunstwerke aus demZentraldepotin ein spezifisches "Linz-Depot" transferieren zu lassen, das er in der Orangerie des Belvedere einzurichten gedachte. Gegen den Abtransport aus dem unter seiner Aufsicht stehendenZentraldepothatteFritz Dworschakam 7. Februar 1940 opponiert (s.Schwarz (2018), S. 92). Nun tauschten sie sich eventuell in dieser Angelegenheit aus.Dworschakhatte dabei jedoch das Nachsehen: das Depot in der Orangerie wurde eingerichtet, zudem 1941 ein "Linz-Depot" imStift Kremsmünster(s.Schwarz (2018), S. 138-139).
- 9Wahrscheinlich ging es um Erwerbungswünsche vonFritz Eichler, dem Direktor derAntikenabteilungdesKunsthistorischen Museums, aus der aufgrund des denkmalbehördlichen Ausfuhrverbotsgesetzes sichergestellten (s. § 4a BGBl.Nr. 80/1923) Sammlung vonPaulundAndy Zsolnay. Im Februar 1940 hatteEichlerdieZentralstelle für Denkmalschutzum Fotos denkmalbehördlich sichergestellter antiker Schmuckstücke aus der Sammlung Zsolnay gebeten, aus denen auchPosseeinige Stückefür dasFührermuseumausgesucht hatte. DieAntikensammlungdesKunsthistorischen Museumserwarb schließlich mehrere Objekte aus der Sammlung Zsolnay (u. a. ein "Grabrelief Frau mit Dienerin", s.Beschluss des Kunstrückgabebeirats).
- 10Possehatte vermutlich vor, sich mitLudwig Baldass, dem Direktor derGemäldegaleriedesKunsthistorischen Museums, wegen der Affäre um dieRaffaelzugeschriebene "Madonna di Gaeta" zu besprechen. Die UrheberschaftRaffaelswar unter Fachleuten umstritten. Das Gemälde hatte sich bis Februar 1940 zur Untersuchung imKunsthistorischen Museumbefunden, woPossees während seines vorangegangenenWienaufenthalts im Januar 1940 besichtigt und sich anschließend in Übereinstimmung mitBaldassin einem Gutachten gegen eine Urheberschaft Raffaels ausgesprochen hatte (s. Seiten0037und0038).Adolf Hitlerhatte in diesem Fall nicht einfach auf das Fachurteil seines Sonderbeauftragten vertraut, sondern hatte das Bild nachBerlinbringen lassen und persönlich in Augenschein genommen, um dann beimDoerner InstitutinMünchen ein "abschließende[s] Gutachten über die Frage der Echtheit des Bildes" in Auftrag zu geben (s.Burmester (2016), S. 412). DasDoerner Institutkam jedoch ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Gemälde kein Original vonRaffaelsein könne, da es "mindestens 100 Jahre später gemalt" worden sei (s.Burmester (2016), S. 418).
8. März 40.Denkmalsamt: Listendurch-
sicht.1-RA.2Hummer(Ankäufe Morelli)3
1320MitHaberstockbeiDr. Dworschak.4
15¾ beiDr. Ruprecht(Gobelindurch-
sicht). - 1730beiStaatskomm. Dr.
Plattner(Sicherstellungen usw).5-
Im Hotel tel. ausDresden6, tel
mitDworschak
9. IIIAlbert Pollak. beschlag-
/ nahmt7
SilbersammlungErnst Egger
9. III.Denkmalsamt. - 110Ksthist. Museum:
Baldass,Grimschitz. Besprechung
mitDworschak,O regrat Britschu.
Gallasüber R. sche Silbersammlung.10
120KunstbesitzBachstitzbeim Spe-
diteur.11- ImDorotheum(Silbersammlg
E. Egger.12- MitDr. Zikanim Ratskeller13
62
- 1Gemeint sind vermutlich Wunschlisten der österreichischen ("ostmärkischen") Museen, welche diese bei derZentralstelle für Denkmalschutzeingereicht hatten.
- 2Rechtsanwalt
- 3Bei diesem zweiten Treffen mit RechtsanwaltArnulf Hummerging es um Preisverhandlungen für die beiden vonPossegewünschten Gemälde im Besitz vonBerta Morelli. Es wurde ein Preis von 70.000,- Reichsmark für das Gemälde "Christus am Ölberg" und ein Preis von 12.000,- Reichsmark für das Gemälde "Die Wiedergenesene" ausgehandelt, wobei ein Teilbetrag in Höhe von 30.000,- Pengő ausgezahlt werden sollte, da sichFrau MorelliinBudapestaufhielt. Nach längeren Verhandlungen mit dem Reichsfinanzministerium wegen der Zuteilung des Pengő-Betrags stimmte Posse am 11. April 1940 zu (s. BArch, B 323/120, Nr. 149, Posse an Hummer, 11.04.1940). Berta Morelliakzeptierte dieses Angebot jedoch nicht, sodass weitere Preisverhandlungen folgten.
- 4Karl Haberstockwar Anfang 1939 vonHitlermit der Verteilung der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen inWienbeauftragt worden und in dieser Funktion zum Gegenspieler vonDworschakgeworden, der vom kurzzeitigen Reichsstatthalter in Österreich Arthur Seyß-Inquartbzw. dessen StaatsekretärKaj Mühlmannmit derselben Aufgabe betraut worden war. In der Folge dieses Machtkampfes wurde Mühlmannentlassen undPossemit der Verteilung der jüdischen Kunstsammlungen beauftragt (s.Schwarz (2018), S. 17-58). Jetzt versuchtePossewohl, die beiden Gegner ins Gespräch zu bringen und auszusöhnen.
- 5Friedrich Plattnerwar für die beschlagnahmten und denkmalbehördlich sichergestellten Kunstwerke zuständig. Möglicherweise besprachPossemit ihm die Situation in den Ländern, insbesondere in Tirol, wohin ihn seinen nächste Dienstreise führte.Posseinspizierte dort am 28. März 1940 dasPrämonstratenser-Stift WiltenbeiInnsbruckin Bezug auf seine Eignung als Depot für denkmalbehördlich sichergestellte Kunstwerke und sollte anPlattnerBericht erstatten (s.Seite 0072).
- 6Possetelefonierte inDresdenvermutlich mit seiner FrauElise Posseoder mit seiner Vertretung in derDresdner Gemäldegalerie.
- 7Die Kunstsammlung vonAlbert Pollakwar 1939 aufgrund des denkmalbehördlichen Ausfuhrverbotsgesetzes (s. § 4a BGBl.Nr. 80/1923) sichergestellt worden und befanden sich in Verwahrung derZentralstelle für Denkmalschutz.Posseerfuhr nun, dassPollaksVermögen von derGestapobeschlagnahmt worden war; damit stand die Kunstsammlung für eine kostenfrei Verteilung auf Museen unter 'Führervorbehalt' zur Verfügung.
- 8Dies war die damalige ungarische Währung, in der ein Teil des Kaufpreises für die beiden Gemälde "Christus am Ölberg" und "Die Wiedergenesene" gezahlt werden sollte.
- 9Herbert SeiberlmachtePosseauf die beschlagnahmte Silbersammlung vonErnstundFanny Eggeraufmerksam, die sich zur Verwertung imDorotheumbefand. Er hatte vor, diese unter 'Führervorbehalt' stellen zu lassen, um so eine Verteilung auf die Museen der 'Ostmark' durchführen zu können (s. BDA-Archiv, RestMat., K. 8, M. 11, fol. 4ff., Seiberl an Berg (Ministerium), 16.03.1940).
- 10Possetraf sich mitFritz Dworschakund den Reichstreuhändern für das ehemals Rothschild'sche Vermögen,Oberregierungsrat Walter BritschundReichsbankrat Gallas, zur Besprechung über die Silbersammlung vonAlphonse Rothschild, die in das Zentraldepot gebracht werden sollte, damit auf sie der 'Führervorbehalt' angewendet und eine Verteilung auf die österreichischen Museen durchgeführt werden konnte (s. auch Seiten0031,0032und0040).Britschfasste die Ergebnisse des Treffens in einem Brief anDworschakzusammen: Es handele sich nicht um Kunstobjekte, sondern um Gebrauchssilber mit Monogramm oder Wappen der Familie Rothschild, die tief eingraviert seien, sodass die Gravuren ohne Beschädigung der Gegenstände nicht entfernt werden könnten (s.BArch, B 323/103, Nr. 221-222, Britsch an Dworschak, 18.03.1940; ebd., Nr. 220, Reichswirtschaftministerium (Landfried) an Bormann, 18.03.1940). Damit war die museale Verwertung der Objekte ausgeschlossen.Posseverzichtete auf die Anwendung des 'Führervorbehalts' und erklärte sich mit der Verwertung des Silbers durch das Reichswirtschaftsministerium einverstanden (s.BArch, B 323/103, Nr. 219, Hanssen an Posse, 30.03.1940; ebd., Nr. 216, Posse an Bormann, 04.04.1940).
- 11Possebesichtigte die unter Ausfuhrverbot (s. § 4a BGBl. Nr. 80/1923) stehenden Kunstwerke im Besitz vonKurt Bachstitz, die bei der WienerSpedition E. Bäumleingelagert waren.Herbert Seiberlhatte ihn darauf hingewiesen (s. Seite0023).Possezeigte Interesse an vier spätmittelalterlichen Skulpturen, entschied sich aber nur für den Ankauf einer oberösterreichischen Holzfigur des Hl. Johannes vom Anfang des 16. Jahrhunderts, für die erBachstitz ein Angebot von 1.000,- Reichsmark unterbreiten ließ (s. BDA-Archiv, RestMat., K. 10, M. 2, fol. 30, Posse an Seiberl, 13.03.1940). Bachstitz antwortete nicht auf das Angebot, das ihm vermutlich zu niedrig erschien, da er für die vier Skulpturen einen Gesamtpreis von 10.000,- Reichsmark gefordert hatte (s.BDA-Archiv, RestMat., K. 31/1, Personenmappe Stefan Auspitz, M. 2, fol. 14-15, Rechtsanwälte Ernst Gödl und Herbert Gödl an Zentralstelle für Denkmalschutz, 30.03.1940). Der Ankauf kam nicht zustande.Bachstitzversuchte 1943, auf gerichtlichem Wege eine Ausfuhr der Objekte durchzusetzen (s.BDA-Archiv, RestMat., K. 31/1 Personenmappe Stefan Auspitz, M. 2).
- 12Possebesichtigte die von der Vermögensverkehrsstelle beschlagnahmte und imDorotheumzur Verwertung befindliche Silbersammlung vonErnstundFanny Egger.
- 13Eventuell besprachPossemitJosef Zykanbeim Essen im Wiener Rathauskeller den Antrag, den Museen die Gelegenheit zu geben, Silberobjekte zu erwerben, denZykanam 12. März 1940 an StaatskommissarFriedrich Plattnerstellen sollte (s.BDA-Archiv, RestMat.,K. 8, M. 5, fol. 67).