Zweites Reisetagebuch
(telef.1vonDr. Hansen) 15252
27.I.40Hofmuseum3
Raffael4, der früher in
der Schweiz 1000000 RM.
alter Herr5..
Sonntagschriftl. Bescheid.
Madonna Alba(Mellon)7
Nebeneinander von guten Stellen (Köpfe)
andere Werkstatt mässig
Ldschft, Stauden. Bäume schlecht
u. steif
Putbus auf RügenErben desFürst(v Putbus)9
bekannt im 19. Jhdt, aber in Vergessen
heit geratenKonstruktionen, um Originalität
zu beweisen, sehr künstlich
Prof.AlfredLüdtke(inMünchen), der
das Bild für geringe Summe
gekauft hat (billig)
"Fälschung"! nein! zeitgenössisch
- 1telefonischer [Anruf]
- 2Auf GeheißMartin BormannsberichteteHanssenPosseam 27. Januar 1940 telefonisch, dass sich lautHeinrich HoffmannimKunsthistorischen MuseuminWienein angebliches Originalgemälde vonRaffael- die "Madonna di Gaeta" - befinde, welches für eine Million Reichsmark zu verkaufen sei (s.BArch, B 323/163, Bormann an Hanssen, handschriftlich, 27.01.1940). Dieses solltePossebegutachten und eine Stellungnahme abgeben.
- 3Gemeint ist dasKunsthistorische MuseuminWien.
- 4Hier meintePossedas unten erneut erwähnte Bild "Madonna di Gaeta", das angeblich vonRaffaelgefertigt worden war.
- 5Gemeint istAlfred Lüdke, der damalige Besitzer des Gemäldes "Madonna di Gaeta" (s.Burmester (2016), Bd. 1, S. 401-428).
- 6Telefonnummer vonFritz Dworschak, denPossekontaktierte, um das Bild "Madonna di Gaeta" vor Ort in Augenschein nehmen zu können.
- 7Die "Madonna di Gaeta" galtPosseals zeitgenössische Kopie der "Madonna Alba" vonRaffael(s.PossesEintrag "'Fälschung'! nein! zeitgenössisch" weiter unten), die sich zu diesem Zeitpunkt im Besitz des amerikanischen Bankiers, Finanzpolitikers und KunstsammlersAndrew W. Mellonbefand.
- 8Possebesichtigte dieses Gemälde am 28.01.1940. Im Folgenden machte er sich Notizen zu stilistischen Kritikpunkten, Provenienz und der Diskussion um die Echtheit des Bildes für sein Gutachten, das er am Tag darauf abschickte, in dem er sich deutlich gegen eine UrheberschaftRaffaelsaussprach und von einem Kauf abriet (s.BArch, B 323/163, Posse an Hanssen, 29.01.1940 sowie Posses Gutachten vom 29.01.1940).
- 9Alfred Lüdkehatte das Gemälde "Madonna di Gaeta", auch "Putbus-Madonna" genannt, um 1920 von den "Fürstlich Putbus'schen Erben imMünchner Kunstverein" erworben (s.Burmester (2016), Bd. 1, S. 403).
- 10Posseerinnerte sich an die "Madonna di Gaeta" und fragte sich hier, ob sie in den 1930er Jahren inDresdengewesen sei. Tatsächlich war sie 1933 auf BestrebenAlfred Lüdkesim Atelier derDresdner Gemäldegalerierestauriert worden. Schon damals hattePossedas Gemälde geprüft und als OriginalwerkRaffaelsabgelehnt (s.BArch, B 323/163, Posses Gutachten vom 29.01.1940).
Wolken! Kein Künstler kopiert
sich zum 2. Mal Tot.Hier helfen
keine kunsthist. Konstruktionen1
BeiProf. v. BaldassimKh. Museum
zu Restauriergszwecken deponiert.2
1. Febr.340U.4HauptbahnhofDresden
Zug 170 Min. Verspätung
dann 270. Schliessl.5Ankunft
¾ 90AnkunftBerlin124045
¾ 13 im Kaiserhof6.¾ 6
Tel. mitDr. H.¾ 16 Adjt.7Borm.
tel.
180beimFührerbis
1915allesin Ggwart8Bormannsdurchgesprochen
alle Fotos durchgesehen.
etc. 200Abendbrot.
PilotenBaueru ..?.,Prof. Morell,Prof.
Hofmannusw.) ½ 10 ver-
abschiedet sich derFührer.
MitBormannzusammen
ins Hotel zurück
36
- 1Bei diesem Abschnitt handelt es sich um dieFortsetzungder NotizenPossesfür das von ihm angeforderte Gutachten über die "Madonna di Gaeta", ein angebliches OriginalwerkRaffaels, das sich seit Juni 1939 imKunsthistorischen MuseuminWienbefand und für eine Million Reichsmark zum Verkauf stand (s.BArch, B 323/163, Bormann an Hanssen, handschriftlich, 27.01.1940). In seinem Bericht sprach sichPossedeutlich gegen eine UrheberschaftRaffaelsaus und riet von einem Kauf ab (s.BArch, B 323/163, Posse an Hanssen, 29.01.1940 sowie Posses Gutachten vom 29.01.1940).
- 2Die "Madonna di Gaeta" befand sich seit 1937 beiLudwig Baldassbzw. in den Räumlichkeiten des Kunsthistorischen MuseumsinWien.
- 3Am Vorabend, dem 31. Januar 1940 um 18:30 Uhr, hattePossetelefonisch die Order vonHanssenaus dem Verbindungsstab erreicht, am Tag darauf bis spätestens 12:00 Uhr inBerlinzu sein (s.DKA, NL Posse, Hans, I,B-1: Hans Posse, Diensttagebuch), um demFührerpersönlich Bericht zu erstatten über den aktuellen Stand desFührermuseum-Projekts und die Ergebnisse seiner eben erst abgeschlosseneWien-Reise. Da der Frühzug etwa fünf Stunden Verspätung hatte, kamPosseerst um ca. 12:45 Uhr inBerlinan. Im Hotel Kaiserhof wartete er, bis ihnBormanngegen 17:45 Uhr für den Vortrag beiHitlerin der Reichskanzlei abholte (s.DKA, NL Posse, Hans, I,B-1, Diensttagebuch). Auf den folgenden Seiten hieltPossedie Ergebnisse der Besprechung fest (s. Seiten0040,0041,0042und0043)
- 4Uhr
- 5Schließlich
- 6Berlinserstes Luxushotel, das Hotel Kaiserhof am Wilhelmplatz 3-5, das der Reichskanzlei gegenüber lag, war ab 1873 erbaut und 1875 eröffnet worden. 1932 zogAdolf Hitlerin dieses Hotel ein, koordinierte von dort aus seinen Wahlkampf und somit wurde das gesamte obere Stockwerk als provisorische Parteizentrale der NSDAP genutzt.Possepflegte während seinerBerlinaufenthalte dort zu übernachten. Das Hotel wurde 1943 bei einem Bombenangriff schwer beschädigt und schließlich abgerissen. (s.Informationen und Dokumente auf www.potsdamer-platz.org)
- 7Adjutant
- 8Gegenwart
- 9Gemeint ist die unter 'Führervorbehalt' durchgeführte Verteilung von beschlagnahmten und aufgrund des denkmalbehördlichen Ausfuhrverbotsgesetzes (s. § 4a BGBl.Nr. 80/1923) sichergestellten Kunstwerken auf die Museen der 'Ostmark' (s.Schwarz (2018)).
x Bondy 1077/782schwebende
Kinderengel, fast lebensgroß
x Bondy1501kl.5 Satyrtorso
1504ca 45 hoch
x Bondy (? Nr. ?Totenschild
1499
x Bondy 764.Kinderengel
x Bondy 1090Engel
dito.
48
- 1Hierbei handelt es sich um die Sicherstellungsnummer des Objekts in der Kunstsammlung vonOscar Bondy. Dies gilt auf dieser Seite für alle auf den Begriff "Bondy" folgenden Ziffernfolgen.
- 2Kolorierte
- 3kleine
- 4Das Werk erinnerte in Stil und Motiv an ein Bild des KünstlersAdriaen van Ostade.
- 5kleiner
- 6kleine
- 7ähnlich
x Gu 277Schreibtisch
altem Leder
Hohe Warte Rothschild4
AR 2945Steinbockhorn
Kredenzgefäss für
Salzburg6
auf braunemGrund
(letzthin ausPola
van Loo(dito)
Malerei, Plastik, Arch9
Musik
54
- 1Hierbei handelt es sich um die Beschlagnahmekatalognummer des Objekts aus der Sammlung vonRudolf Gutmann. Dies gilt ebenfalls für die folgende alphanumerische Kombination.
- 2Possedatierte den Schreibtisch in das 18. Jahrhundert, zur ZeitLudwigs XVI.
- 3mit
- 4Gemeint ist die Villa vonAlphonse Rothschildauf der Hohen Warte, einem bebauten Hügel als letztem Ausläufer des Wienerwalds im 19. Gemeindebezirk vonWien(s. auch "The Rothschild Gardens").
- 5Dies ist die Beschlagnahmekatalognummer des Gegenstands aus der Sammlung vonAlphonse Rothschild. Dies gilt ebenso für die folgende alphanumerische Kombination.
- 6Eventuell hattePossedieses Objekt zunächst für dasSalzburger Museum Carolino Augusteumvorgesehen, schließlich wurde es aber demLandesmuseum Linzzugewiesen (s.BDA-Archiv, RestMat., K. 13, M. 2, Aufteilungsliste: "Führervorschlag", Kunstwerke aus dem beschlagnahmten Wiener Besitz Für [sic!] das Landesmuseum Linz, S. 42).
- 7kleine
- 8Es handelt sich um Ölgemälde auf Leinwand, die als Füllungen von Türen und holzverkleideten Wänden verwendet werden. Abgeleitet ist der kunsthistorische Fachbegriff vom französisch Wort "panneau" für Platte oder Schild.
- 9Architektur
AR 10701Großer Bronze
Gobelins
x Nr ?3v. Drachen gezogenen
Wagen.
x AR IIVerdüreteppich
x Dav. Goldmann 1094
LR 962 }1 Wort
56
- 1Es handelt sich um die Beschlagnahmekatalognummer des Objekts aus der Sammlung vonAlphonse Rothschild. Dies gilt ebenso für alle mit "AR" gekennzeichneten Ziffernfolgen auf dieser Seite.
- 2Großer
- 3Dieser Gobelin aus der Sammlung Alphonse Rothschild hatte keine Beschlagnahmekatalognummer.
- 4Es handelt sich um die Beschlagnahmekatalognummer des Gobelins aus der Kunstsammlung vonDavid Goldmann.
- 5Großer
- 6französisch
- 7Maßangabe des Gobelins in cm
- 8Bei dieser sowie der folgenden alphanumerischen Kombination handelt es sich um die Beschlagnahmekatalognummer der Gobelins aus der Sammlung vonLouis Rothschild.
- 9Gemeint ist dieGobelinmanufakturin der französische StadtBeauvais.
- 10Es handelt sich um Ölgemälde auf Leinwand, die als Füllungen von Türen und holzverkleideten Wänden verwendet werden. Abgeleitet ist der kunsthistorische Fachbegriff vom französisch Wort "panneau" für Platte oder Schild.
Dr.Dworschak:1 Antike o. germ.2 Münzen usw3
Klosterbesitz. Entschei-
anderer beschlagnahmter
Besitz.
Wolf-MuseumEisenstadt5
sowie die anderen
Slgn.6
Abtransport der Kunstwerke8
Bilder!
Dr. Nagler, Kärntnerstr. 47II
Prof. Eichler; Antiken9
- 1Possenotierte sich im Folgenden die Besprechungspunkte für das Treffen mitFritz Dworschak am 8. März 1940 (s.Seite 0064). Die Durchstreichungen legen nahe, dass alle aufgeführten Punkte besprochen werden konnten.
- 2germanische
- 3Auf der Agenda standen die EntscheidungenAdolf Hitlersbeim Treffen mitPosseam 1. Februar 1940 und die Auswahl an beschlagnahmten Münzen und Medaillen für dasFührermuseum, für die der NumismatikerDworschakzuständig war (s.Schwarz (2018), S. 126-128).
- 4Man besprach wohl, dass eine grundsätzliche EntscheidungHitlersüber den kulturellen Besitz der in Österreich beschlagnahmten Klöster eingeholt werden sollte.Possebrachte diesen Antrag nach seinerWien-Dienstreise beiMartin Bormannvor (s.Seite 0081).
- 5Außerdem ging es um die Kunstsammlung vonSándor WolfausEisenstadt, die in einem Privatmuseum öffentlich zugänglich gewesen und 1939 nach Flucht und Enteignung des Besitzers in das von ihm mitgegründeteBurgenländische Landesmuseumintegriert worden war.Possenotierte sich hier, dass diese Sammlung wie die übrigen behandelt werden sollte, was bedeutet, dass sie unter 'Führervorbehalt' gestellt und in das Verteilungsprogramm der beschlagnahmten jüdischen Kunstsammlungen integriert werden sollte. Vermutlich war dies ein Vorschlag vonFritz Dworschakund von dem Bestreben getragen, zugunsten desKunsthistorischen Museumsauf die Bestände zugreifen zu können.
DaSándor Wolfehrenamtlicher Konservator derZentralstelle für Denkmalschutzgewesen war, die seiner Sammlung 1932 einen Inventarband der Österreichischen Kunsttopographie gewidmet hatte (s.Csatkai/Frey (1932)), war die Sammlung unmittelbar nach dem 'Anschluss' Österreichs an das Deutsche Reich unter Denkmalschutz gestellt worden. Unter Einfluss der Denkmalpfleger erstelltePosseeinen Verteilungsplan, der die Sammlung in deren Sinne als Ganzes erhielt und sie im Wesentlichen vor Ort, also im damaligenBurgenländischen Landesmuseum, beließ (s.BArch, B 323/117, Nr. 703, Hans Posse: Verteilungsvorschlag für das burgenländische Landschaftsmuseum in Eisenstadt; s.Schwarz (2018), S. 108-111).
- 6Sammlungen
- 7Karl HaberstockbegleitetePossezur Besprechung mitDworschak(s.Seite 0064).
- 8Possebeabsichtigte, die für dasFührermuseumausgewählten Kunstwerke aus demZentraldepotin ein spezifisches "Linz-Depot" transferieren zu lassen, das er in der Orangerie des Belvedere einzurichten gedachte. Gegen den Abtransport aus dem unter seiner Aufsicht stehendenZentraldepothatteFritz Dworschakam 7. Februar 1940 opponiert (s.Schwarz (2018), S. 92). Nun tauschten sie sich eventuell in dieser Angelegenheit aus.Dworschakhatte dabei jedoch das Nachsehen: das Depot in der Orangerie wurde eingerichtet, zudem 1941 ein "Linz-Depot" imStift Kremsmünster(s.Schwarz (2018), S. 138-139).
- 9Wahrscheinlich ging es um Erwerbungswünsche vonFritz Eichler, dem Direktor derAntikenabteilungdesKunsthistorischen Museums, aus der aufgrund des denkmalbehördlichen Ausfuhrverbotsgesetzes sichergestellten (s. § 4a BGBl.Nr. 80/1923) Sammlung vonPaulundAndy Zsolnay. Im Februar 1940 hatteEichlerdieZentralstelle für Denkmalschutzum Fotos denkmalbehördlich sichergestellter antiker Schmuckstücke aus der Sammlung Zsolnay gebeten, aus denen auchPosseeinige Stückefür dasFührermuseumausgesucht hatte. DieAntikensammlungdesKunsthistorischen Museumserwarb schließlich mehrere Objekte aus der Sammlung Zsolnay (u. a. ein "Grabrelief Frau mit Dienerin", s.Beschluss des Kunstrückgabebeirats).
- 10Possehatte vermutlich vor, sich mitLudwig Baldass, dem Direktor derGemäldegaleriedesKunsthistorischen Museums, wegen der Affäre um dieRaffaelzugeschriebene "Madonna di Gaeta" zu besprechen. Die UrheberschaftRaffaelswar unter Fachleuten umstritten. Das Gemälde hatte sich bis Februar 1940 zur Untersuchung imKunsthistorischen Museumbefunden, woPossees während seines vorangegangenenWienaufenthalts im Januar 1940 besichtigt und sich anschließend in Übereinstimmung mitBaldassin einem Gutachten gegen eine Urheberschaft Raffaels ausgesprochen hatte (s. Seiten0037und0038).Adolf Hitlerhatte in diesem Fall nicht einfach auf das Fachurteil seines Sonderbeauftragten vertraut, sondern hatte das Bild nachBerlinbringen lassen und persönlich in Augenschein genommen, um dann beimDoerner InstitutinMünchen ein "abschließende[s] Gutachten über die Frage der Echtheit des Bildes" in Auftrag zu geben (s.Burmester (2016), S. 412). DasDoerner Institutkam jedoch ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Gemälde kein Original vonRaffaelsein könne, da es "mindestens 100 Jahre später gemalt" worden sei (s.Burmester (2016), S. 418).